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Nordkorea: Kim Jong Un enttäuscht Hoffnungen auf politischen Wandel

Nordkoreas neuer Führer hält überraschend eine Rede bei der Parade zum 100. Geburtstag seines Großvaters. Dabei betont Kim Jong Un die Priorität des Militärs - und tritt exakt in die Fußstapfen des früheren Diktators.

An seiner Redetechnik muss der „Große Nachfolger“ noch ein bisschen feilen. Unsicher klammerte sich Nordkoreas neuer Führer Kim Jong Un vor der Militärparade zum 100. Geburtstag des Staatsgründers Kim Il Sung am Sonntagmorgen an sein Manuskript, nur gegen Satzende blickte er jeweils auf, um sich von zehntausenden Soldaten und Zivilisten auf dem zentralen Kim-Il-Sung-Platz in Pjöngjang beklatschen zu lassen. Seine Stimme blieb in seiner ersten öffentlichen Rede monoton und emotionslos.

Kim Jong Un hatte vor der Militärparade für seinen als „Ewigen Präsidenten“ verehrten Großvater überraschend das Wort ergriffen. Sein verstorbener Vater Kim Jong Il hatte diese Paraden stets schweigend abgenommen. Doch was der neue Führer zu sagen hatte, überraschte niemanden: Der junge Diktator grüßte alle, die sich für eine Wiedervereinigung Koreas einsetzen, er sprach hochachtungsvoll von seinen beiden Vorgängern und verkündete, dass Nordkorea an der Songun-Politik, die der Verteidigungsbereitschaft und der Volksarmee absoluten Vorrang einräumt, festhalten werde.

Das verarmte Nordkorea unterhält mit 1,1 Millionen Soldaten die viertgrößte Armee der Welt. Das Militär habe die „erste, zweite und dritte Priorität“, sagte Kim Jong Un, „die Überlegenheit in der militärischen Technologie ist nicht länger ein Monopol der Imperialisten“. Um das zu unterstreichen, stellte die Militärparade auch eine womöglich neu entwickelte Langstreckenrakete vor. Laut südkoreanischen Zeitungen hatte ein US-amerikanischer Satellit im Forschungs- und Entwicklungszentrum Sanum Dong bereits zuvor eine neue, 40 Meter lange Rakete entdeckt. Es ist allerdings unklar, ob die Beobachter aus dem All und der Militärparade nicht von Attrappen getäuscht worden sind.

Mit keinem Wort erwähnte Kim Jong Un in seiner Rede den fehlgeschlagenen Satellitenstart vom Freitagmorgen, der eigentlich den Höhepunkt der Feierlichkeiten hätte bilden sollen. Die Trägerrakete war 100 Sekunden nach dem Start in 20 Teile zerbrochen und ins Gelbe Meer gestürzt. Erstmals hatten die nordkoreanischen Staatsmedien anschließend den Fehlschlag zugegeben. Dieses Eingeständnis und die erste Rede eines Führers bei der Militärparade gibt Hu Xijin, dem Chefredakteur der chinesischen Zeitung „Global Times“, Anlass zur Hoffnung. „Diese Art von Offenheit war in der Vergangenheit unmöglich“, schreibt er, „Kim Jong Un ist sehr jung, was bedeutet, dass er mehr politischen Mut besitzt und nach Reformen strebt.“

Die Hoffnungen sind umsonst. Der neue Machthaber tritt in die Fußstapfen seines Vaters.

Doch davon ist bisher nichts zu sehen, im Gegenteil. Kim Jong Un tritt exakt in die Fußstapfen seines Vaters. Am Freitag war er zum Vorsitzenden der Nationalen Verteidigungskommission ernannt worden, zuvor erhielt er die Posten als Generalsekretär der Arbeiterpartei und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission. Damit hat er wie sein im Dezember verstorbener Vater alle wichtigen Funktionen auf sich vereint. Der pseudoreligiöse Führerkult in Nordkorea setzt nun auch um den Vertreter der dritten Generation der Familie Kim ein. Wie die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA berichtete, sagte Kim Yong Nam, Vorsitzender des nordkoreanischen Parlaments, am Samstag in der Nationalversammlung, dass die Zukunft für die Menschen in Nordkorea „unglaublich rosig und hell ist, weil sie Kim Jong Un haben“.

Ob das hungernde Volk genauso denkt, ist unklar. Nordkorea ist ein vom Rest der Welt abgeschlossener Staat, nur selten dringen Nachrichten nach außen. Die Webseite „DailyNK“ berichtete, dass sich vor allem Parteikader und ältere Menschen dafür interessiert hätten, auf dem Wochenmarkt aber kaum darüber gesprochen werde. Es werde sogar gewitzelt, dass im chronisch energiearmen Nordkorea jemand das Benzin aus dem Tank der Rakete geklaut haben könnte. Doch zu spaßen ist mit dem Land weiterhin nicht. Experten spekulieren, dass der junge Führer die Blamage vom Freitag bald mit einem unterirdischen Atomtest vergessen machen will.

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