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Nordrhein-Westfalen: Rot oder Schwarz?

Vor der Wahl in NRW am 9. Mai schwanken die Grünen zwischen den Optionen.

Reiner Priggen muss in diesen Tagen viel erklären. Seit der grüne Vordenker aus Düsseldorf seine Partei vor unüberwindlichen „Knackpunkten“ in möglichen Koalitionsverhandlungen gewarnt hat, kommen die Grünen in Nordrhein-Westfalen nicht mehr zur Ruhe. Mal meldet sich der linke Flügel zu Wort und formuliert eben jene Knackpunkte für eine Zusammenarbeit mit der CDU, dann wiederum malen Landesvorstand und Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann die Gefahr einer großen Koalition an die Wand, wenn sich die eigene Partei vor dem Urnengang am 9. Mai allzu eindeutig auf die SPD festlegt.

Dabei hatte Fraktionsvize Priggen weitgehend Selbstverständliches gesagt und in erster Linie darauf hingewiesen, dass es Sozialdemokraten und Grünen in den zehn Regierungsjahren zwischen 1995 und 2005 nicht besonders gut bekommen ist, jeden Konflikt zum unüberwindlichen Knackpunkt hochzuspielen, und man wegen der ausgeprägten Streitkultur von Schwarz-Gelb abgelöst worden war. „Unser Projekt ist unser Programm“ – diese Erkenntnis zog Priggen aus dieser Erfahrung und achtet seither peinlich genau darauf, seine Kritik an CDU und SPD gleichmäßig zu verteilen. „Es gibt die Aussicht, dass Rot-Grün eine Mehrheit bekommt“, gibt er als Parole aus und verweist auf die steigenden Umfragezahlen. Seit Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) nicht nur wegen seiner Sponsorenaffäre, sondern auch wegen offener Fragen zum Atommülllager Asse in Niedersachsen unter Druck ist, hat Priggen einen neuen Angriffspunkt geschenkt bekommen. Rüttgers sieht sich mit kritischen Fragen zu seiner Zeit als Forschungsminister unter Helmut Kohl konfrontiert, weil sein Haus damals offenbar Berichte über die Gefahren zurückgehalten hat. „Rüttgers muss vor den Asse-Untersuchungsausschuss“, verlangen die niedersächsischen Grünen, und Priggen stimmt zu.

Parteiintern wird die Aufregung auch mit Machtspielchen der grünen Flügel erklärt. In der Tat setzt die Parteispitze auf eine Neuauflage von Rot-Grün, aber man kann nicht sicher sein, ob es für dieses Bündnis reichen wird. „Kommen die Linken rein, können wir uns Rot-Grün abschminken“, fürchtet einer der führenden Grünen, und genau an diesem Punkt wird man nervös. „Mir ist Schwarz-Grün lieber als eine große Koalition“, argumentiert Priggen, seine Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann nennt das die „Zweitoption Schwarz-Grün“. Auch die Linken in der Partei wissen das und werden sich am Ende nicht verweigern. Mit ihrer Kritik an Priggen sichern sie sich allerdings Einfluss und wollen vor allem dafür sorgen, dass sie personell nicht übergangen werden, wenn es wirklich dazu kommen sollte. „Die wollen dann einen der drei Ministerposten, die wir bekommen werden“, hört man auf den Landtagsfluren.

Die SPD schaut sich dieses Spiel bei den Grünen eher gelassen an. Spitzenkandidatin Hannelore Kraft weiß längst, dass ihr allzu laute Spekulationen über Schwarz-Grün helfen. „Wer Rot-Grün will, muss dieses Mal SPD wählen“, wirbt sie unermüdlich. Während sie das offen anspricht, wird sie einsilbig, wenn man sie nach der Linken fragt. „Wir wollen die unter fünf Prozent drücken“, antwortet sie stereotyp oder fügt hinzu, „die Linke ist weder regierungsfähig noch -willig“. Je nach Stimmungslage baut sie ein „derzeit“ in diesen Satz ein, wofür sie Jürgen Rüttgers schon als „Derzeit-Politikerin“ gegeißelt hat. An eine Zusammenarbeit glaubt sie nicht, und davon hat sie auch Parteichef Sigmar Gabriel überzeugt.

Die Linke steht bei diesen Koalitionsspielen weitgehend im Abseits. In der NRW-Partei haben es Befürworter einer wie auch immer gearteten Zusammenarbeit schwer. Obwohl die Berliner Parteispitze um den designierten Vorsitzenden Klaus Ernst Signale für eine mögliche Kooperation gibt, hat die Landespartei jetzt eben jene Knackpunkte formuliert, auf die die Grünen verzichten. Während man sich über eine Ende der Studiengebühren rasch mit Rot-Grün verständigen könnte, lässt sich jedoch das Ende von Hartz IV auf Landesebene kaum beeinflussen.

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