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Politik: Nordrhein-Westphalen: Geballte Konzentration aufs Unwesentliche

Gegen 13 Uhr zeigte auch der Redner Anzeichen von Erschöpfung. Er wartete den langsam tröpfelnden Beifall der beiden Regierungsfraktion nicht ab, ging zu seinem Sitzplatz und tupfte sich die Schweißperlen von der Stirn.

Gegen 13 Uhr zeigte auch der Redner Anzeichen von Erschöpfung. Er wartete den langsam tröpfelnden Beifall der beiden Regierungsfraktion nicht ab, ging zu seinem Sitzplatz und tupfte sich die Schweißperlen von der Stirn. In den zweieinhalb Stunden zuvor hatte Wolfgang Clement die Leitlinien seiner Politik vorgestellt und die Anwesenden im Plenum vor allem auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Selbst im Kreise seiner Minister deutete der eine oder andere später leichte Kritik an, weil sich der Regierungschef nicht, wie ursprünglich geplant, auf die wesentlichen Dinge konzentriert hat.

Allerdings hatten einige derjenigen, die jetzt vorsichtig auf Distanz gingen, am Tag zuvor noch dazu beigetragen, dass ihre Politikfelder in den Entwurf aufgenommen wurden. Die beiden Oppositionsführer werden erst in der kommenden Woche auf Clement antworten, aber ihre Reaktionen waren jetzt schon eindeutig. "Das war ein unverbindlicher Warenhauskatalog", schimpfte CDU-Fraktionschef Jürgen Rüttgers und Jürgen Möllemann, sein liberaler Mitstreiter um die Rolle des Oppositionschefs, brachte es auf die Formel Herbert Wehners: "Getretener Quark wird breit, nicht stark."

Eigentlich hatte sich Wolfgang Clement zunächst beschränken wollen. In einem ersten Entwurf hatte er die Philosophie seiner künftigen Regierungsarbeit ausarbeiten lassen und dabei den einen oder anderen neuen Akzent gesetzt. Clement war in der Vergangenheit mehr als einmal als ungeduldiger Antreiber aufgefallen und hatte sich mit dieser Eigenschaft manche Niederlage selbst beigebracht. Dieses Mal wies er auffällig oft darauf hin, dass er künftig eine Politik nach dem "Prinzip der gleichen Augenhöhe" anstrebe. Er hatte zahlreiche Persönlichkeiten des Landes gebeten, ihre Anregungen für die künftige Regierungsarbeit aufzuschreiben und versprach, sich an deren Vorgaben auch zu halten. Der Schriftsteller Dieter Forte erinnerte etwa an seine eigene Lebensgeschichte und die seiner italienischen Vorfahren, die als Hugenotten aus Frankreich nach Iserlohn geflüchtet waren. "Ich möchte, dass die Toleranz, die es meiner Familie ermöglicht hat, eine neue Heimat zu finden, erhalten bleibt", zitiert Clement und macht sich dessen Position zu eigen: "Wer diese Lebensgrundlage unseres Landes in Frage stellt, für den kann es bei uns keine Toleranz geben".

Konkret wurde Clement bei seinen Zielen am Arbeitsmarkt. "Unser wichtigstes Ziel ist es, die Arbeitslosigkeit spürbar zu senken", gab Clement vor und sagte zu, in den kommenden fünf Jahren die Arbeitslosigkeit von rund zehn auf sechs Prozent zu reduzieren: "Untersuchungen sagen uns, es sei möglich, die Arbeitslosigkeit auf unter 500 000 zu drücken." Er will dafür vor allem auf Existenzgründer sowie kleine und mittlere Betriebe setzen. In der Bildungspolitik zeigt offenbar die Kritik der Opposition Wirkung. Clement versprach, ausscheidende Lehrerstellen wieder zu besetzen, insgesamt aber auf mehr Qualitiät zu achten. In der kommenden Woche werden Rüttgers und Möllemann ihre Entwürfe für das größten Bundesland dagegen setzen.

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