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Norwegen: Wahlkampf gegen den Islam

Wenige Monate vor den Parlamentswahlen in Norwegen zeichnet sich ab, dass Auseinandersetzungen zum Islam im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen werden: Norwegens Xenophobe haben Zulauf – Sie könnten bald die Regierung führen.

Berlin - Die Spitzenkandidatin der größten Oppositionspartei, Siv Jensen, warnte auf einem Parteitag vor einer „schleichenden Islamisierung“. „Wir müssen das stoppen“, sagte die 39-jährige Chefin der Fortschrittspartei (FrP). Die FrP ist nach Umfragen mit knapp 29 Prozent derzeit zweitstärkste Kraft, könnte bis zu den Parlamentswahlen im September allerdings noch die Arbeiterpartei (33 Prozent) einholen. Dann könnte Jensen Ministerpräsidentin werden. Die FrP gilt als explizit immigrationsfeindlich.

Jensens Vorgänger Carl Hagen hatte den Islam immer wieder mit dem Nationalsozialismus verglichen und Muslimen vorgeworfen, sie wollten die Welt erobern. Die jetzige Parteichefin Siv Jensen gilt als weniger populistisch. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel betonte Jensen, sie unterstütze Religionsfreiheit und unterscheide klar zwischen extremistischen Gruppen und der Mehrheit der Muslime, die „friedliche Absichten“ habe.

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI), die Überwachungsstelle des Europäischen Rats, erwähnt in ihrem aktuellen Bericht auch eine Wahlbroschüre der Fortschrittspartei aus dem Jahr 2005. Darin würden ernsthafte Sicherheitsbelange eindeutig mit Menschen fremder Herkunft in Verbindung gebracht. ECRI stellt in den vergangenen Jahren einen Anstieg der „Islamophobie“ in Norwegen fest. In der politischen und öffentlichen Debatte würden Verbindungen zwischen Muslimen und Terrorismus hergestellt. Menschen muslimischer Herkunft würden in öffentlichen Diskussionen Generalisierungen und Stereotype zugeschrieben.

Das bestätigt auch Chalid Mahmud, ein pakistanischstämmiger Abgeordneter der regierenden Arbeiterpartei. „Nicht mehr Migranten sind die Zielscheibe, sondern einfach Muslime“, sagte Mahmud. Sie würden stets als schlechtes Beispiel gewählt, wenn die FrP Migranten kritisiere. „Muslime werden stigmatisiert und so dargestellt, als ob sie die Werte der Norweger verändern wollten. Als ob sie eine Bedrohung für die Demokratie darstellten“, sagt Mahmud. Für den Fall eines Wahlsiegs der FrP befürchtet Chalid Mahmud noch einen zunehmenden Populismus.

Eine Debatte, die ganz Norwegen bewegte, ging darum, ob es erlaubt sein soll, religiöse Symbole mit einer Polizeiuniform zu tragen. Das norwegische Justizministerium hatte Anfang Februar einer jungen Muslimin erlaubt, das Kopftuch mit ihrer Polizeiuniform zu tragen, wie das in Großbritannien und prinzipiell auch in Schweden möglich ist. Auch Norwegens Armee und Zollverwaltung erlauben religiöse Kopfbedeckungen. Doch nach starken Protesten, vor allem von der FrP, nahm der Justizminister diese Regelung für Polizeiuniformen zurück.

Zu der Forderung muslimischer Gefängnisinsassen nach geschächtetem Fleisch sagte Jensen: „Wir sollten nicht besonderes Essen anbieten für diejenigen, die in unser Land gekommen sind und unsere Gesetze gebrochen haben.“ Jensen gibt zudem an, sie wende sich gegen Zwangsehen und die Unterdrückung von Frauen. Im Büro der norwegischen Gleichstellungs- und Diskriminierungsbeauftragten wird das jedoch kritisch gesehen. „Man muss in der Lage sein, Zwangsehen und andere Dinge zu kritisieren, die gegen das norwegische Gesetz verstoßen, ohne sie dabei auf alle Muslime zu verallgemeinern“, sagte Björg Unstad, Mitarbeiterin der Diskriminierungsbeauftragten.

Karin Schädler, Robert Holender

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