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Politik: Notopfer Berlin

STRIEDERS RÜCKTRITT

Von Lorenz Maroldt

Berlins Regierender Bürgermeister hält den Rücktritt seines wichtigsten Senators und SPD-Landesvorsitzenden Peter Strieder von allen politischen Ämtern für richtig – „unter diesen Umständen“, sagt er, womit Klaus Wowereit die Stimmung in der Öffentlichkeit meint, die nicht nur einer Vorverurteilung gleichkomme, sondern, wörtlich, eine „Verurteilung“ gewesen sei. Strieder selbst erklärt, sein Rücktritt sei kein Schuldeingeständnis, aber er wolle Schaden abwenden – von der Stadt, seiner Partei und sich selbst.

Nur zu gerne würden beide an der Legende weiterstricken, Strieder sei Opfer einer Kampagne geworden. Mit anderen Worten: Es gibt zwar das Kulturhaus Tempodrom, aber keine dazugehörige Affäre – weil es normal, unvermeidbar, ja Schicksal ist in Berlin, dass private Bauvorhaben kollabieren und von einem gönnenden Senator großherzig gerettet, also vom Land bezahlt werden? Weil das schon immer so war?

Die Umstände, unter denen Strieder jetzt zurücktritt, sind nicht mutwillig und künstlich von wem auch immer aus der Berliner Luft – also quasi aus dem Nichts, wie von ihm behauptet – erschaffen worden. Strieder selbst hat diese Umstände vor Jahren schon mit herbeigeführt, und er hat sich, mit Ausnahme der vergangenen Wochen, meistens sauwohl gefühlt in diesem Berliner Geflecht gegenseitiger Gefälligkeiten und großspuriger Versprechen. Wowereit und Strieder hatten die elende Koalition mit der CDU gesprengt und sich auf das Abenteuer mit der PDS eingelassen, um, so ihr verkündeter Anspruch, die vom Bankenskandal erschütterte Stadt zu sanieren – finanziell, mental und moralisch. Die Anstrengung zu Punkt eins scheint alle Kraft absorbiert zu haben.

Selbst wenn die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen ihn einstellen sollte, ändert das nichts an der Schuld Peter Strieders an einer politischen Affäre, die noch längst nicht in allen Facetten bekannt ist. Strieder steht dabei dort, wo er sich auch sonst gerne sieht: im Mittelpunkt. Die immer wieder gezielt versteckte, trickreiche Finanzierung des Tempodroms in Verbindung mit der spendablen Pflege der politischen Landschaft hat Berlin nicht nur viel Geld gekostet, sondern vor allem Respekt, Ansehen, Vertrauen. Der Mentalitätswechsel – runter vom Filz, raus aus dem Sumpf – ist die Voraussetzung, ja die Bedingung für die finanzielle Rettung der Stadt, die heute aus eigener Kraft nicht mehr möglich ist. Er ist nicht vollzogen worden vom rot-roten Senat.

Wenn Strieder ein Opfer von irgendwem oder -etwas ist, dann allenfalls von sich selbst. Was hat ihn, nach den Vorgängen um die Bankgesellschaft, die er damals gekonnt für sich, seine Partei und Klaus Wowereit zu nutzen vermochte, politisch derart desensibilisiert, dass er so gar nicht verstehen kann oder will, was er falsch gemacht haben könnte? Eine Frage, die nicht nur Strieder sich stellen muss. Jenseits der Affäre bleibt das Bild eines Politikers, der auf halber Strecke stecken geblieben ist; in mancherlei Hinsicht kann man auch sagen: leider. In der Politik gehe es um Ideen und das Werben um Zustimmung dafür, hat Strieder einmal erklärt. Ideen hatte er viele, und auch den Mut, sie gleich zu benennen, gerne im provozierenden Ton des Avantgardisten. Vielleicht lag es daran, dass ihm das erfolgreiche Werben so selten gelang.

Als der Senat vor kurzem beschloss, das Tempodrom jetzt doch in die Insolvenz zu schicken, war Strieder nicht dabei. Wowereit sagte danach: Wir haben ihn nicht gefragt. Das war ein bisschen böse, und das auch noch zu spät. Der Regierende Bürgermeister hätte früher fragen und handeln sollen.

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