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NPD: Kein Verbotsverfahren - aus Angst vor dem Scheitern

Innenminister Wolfgang Schäuble ist gegen ein neues NPD-Verbotsverfahren – trotz der unverändert aggressiven Haltung der Partei.

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Ein zweiter Anlauf für ein NPD-Verbotsverfahren wäre nach Ansicht von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) schlicht eine „Dummheit“. Er würde es für „ganz schlecht halten“, ein Verfahren einzuleiten und dann zu scheitern, sagte Schäuble. Der Minister bürstete SPD- Chef Kurt Beck ab, der nach dem rassistischen Krawall in Mügeln ein zweites Verfahren gefordert hatte. Das erste hatte das Bundesverfassungsgericht wegen der ungeklärten Rolle von V-Leuten des Verfassungsschutzes in der NPD eingestellt. In einem internen Papier bezweifelt das Bundesinnenministerium (BMI), dass der NPD in einem neuen Verfahren eine „aggressiv-kämpferische Haltung“ gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung nachgewiesen werden könnte. Damit sieht das BMI neben dem Problem der V-Leute offenbar noch ein zweites, das gegen ein weiteres Verbotsverfahren spricht. Auf den ersten Blick überrascht die Argumentation des BMI, denn im Jahresbericht 2006 des Bundesamtes für Verfassungsschutz wird der NPD bescheinigt, sie halte „unverändert an ihrer offenen, aggressiv-kämpferischen Feindschaft gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fest“. Sicherheitsexperten sehen jedoch keinen Widerspruch. Das Bundesverfassungsgericht übernehme nicht automatisch die Wertung des Verfassungsschutzes. Außerdem prüften die Richter beim Verbot einer Partei womöglich noch strenger als ein Nachrichtendienst den Nachweis der aggressiv-kämpferischen Haltung.

Indizien für die rabiate Feindschaft der NPD gegenüber der bundesdeutschen Demokratie gibt es reichlich. Einige Beispiele: Parteichef Udo Voigt solidarisierte sich im Oktober 2006 in Berlin als Redner bei einer Neonazi-Demonstration mit dem inhaftierten Sänger der Band „Landser“. Das Berliner Kammergericht hatte „Landser“ 2003 zur kriminellen Vereinigung erklärt. Die Band hatte in blutrünstigen Texten Gewalt gegen demokratische Politiker und Ausländer propagiert. In einem Interview im September 2004 glorifizierte Voigt Adolf Hitler als „großen deutschen Staatsmann“ und bezeichnete die Bundesrepublik als „illegitimes System“, das durch eine „revolutionäre Veränderung“ abzuwickeln sei wie die DDR. Experten verweisen auch auf die Zunahme von Neonazis im NPD-Bundesvorstand. Einer von ihnen, Thorsten Heise, wurde im Juli wegen Volksverhetzung verurteilt. Vor drei Wochen erhielt der hessische NPD-Chef Marcel Wöll vier Monate Haft wegen Volksverhetzung. Beide Urteile sind noch aber nicht rechtskräftig.

Der bisher letzte Versuch, die NPD verbieten zu lassen, endete mit einem Debakel: Im Bundesverfassungsgericht fand sich nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit, um das Verfahren zu eröffnen. Der Zweite Senat stellte das Verfahren am 18. März 2003 ein. In einem neuen Anlauf würde es dieses Vorverfahren wieder geben, denn für ein Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist dies im Grundgesetz festgeschrieben. Der Zweite Senat müsste im Vorfeld wieder entscheiden, ob er die Anträge überhaupt zulässt oder ob er sie von vorn herein für nicht ausreichend begründet oder unzulässig hält.

Bereits in diesem Vorverfahren muss die Entscheidung mit Zweidrittelmehrheit fallen. Dass die einfache Mehrheit nicht genügt, stellt auch eine Besonderheit des Parteiverbotsverfahrens dar. Von den acht zuständigen Richterinnen und Richtern müssen mindestens sechs für die Prüfung eines Parteiverbots stimmen. Genau hieran scheiterten Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat 2003. Weil die Verfassungswidrigkeit der NPD auch auf Äußerungen von V-Männern des Verfassungsschutzes gestützt wurde, sahen drei Richterinnen und Richter ein absolutes Verfahrenshindernis. Denn der Staat habe es durch die V-Leute teilweise in der Hand gehabt, die verfassungswidrigen Äußerungen zu steuern. Bei einem Verbotsverfahren könnten also Äußerungen die Verfassungswidrigkeit der NPD belegen, die von V-Leuten stammen.

Die drei Richterinnen und Richter, die das Verfahren zu Fall brachten, sind heute noch im Amt. Es sind Lerke Osterloh, Winfried Hassemer und Siegfried Broß. Bei einem neuen Verbotsantrag könnten die Antragsteller nur auf Zeit spielen. Denn Hassemer wird im Februar 2008 ausscheiden. Die Amtszeit von Osterloh und Broß endet erst 2010. Aber selbst wenn die damaligen Opponenten nicht mehr alle im Amt wären, könnte der Ausgang eines neuen Vorstoßes nur schwer kalkuliert werden. Denn von den Richtern, die 2003 das Verbotsverfahren einleiten wollten, sitzen nur noch zwei im Zweiten Senat.

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