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Ist die NPD verfassungsfeindlich? Das müssen das Bundesverfassungsgericht klären.

© Bernd Wüstneck/dpa

NPD-Verbotsverfahen: Das Dilemma mit den Spitzeln

Das Bundesverfassungsgericht verlangt im NPD-Verbotsverfahren detaillierte Auskünfte über die Abschaltung von V-Leuten. Jetzt muss der Verfassungsschutz womöglich heikle Daten preisgeben - obwohl den Spitzeln Schutz zugesagt ist.

Von Frank Jansen

Die Sicherheitsbehörden stöhnen. Der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts hat am Montag mit seinem "Hinweisbeschluss" zum NPD-Verbotsverfahren umfassende Auskünfte zu mutmaßlich abgeschalteten V-Leuten gefordert. Die vom Bundesrat vorgelegten Testate der Innenminister zum Verzicht auf Spitzel in Vorständen der rechtsextremen Partei genügen den Karlsruher Richtern nicht.

Der Verfassungsschutz, eventuell auch der Militärische Abschirmdienst und die Polizei, müssen nun detaillierte und womöglich heikle Informationen über ehemalige V-Personen nachliefern. "Erbaut sind wir nicht", formuliert sarkastisch ein hochrangiger Sicherheitsexperte. Ein anderer spricht sogar mit Blick auf das an V-Leuten gescheiterte erste Verbotsverfahren von einem "Déjà vu".

Was folgt aus dem Beschluss?

Das Bundesverfassungsgericht will wissen, wie die Entscheidung der Innenministerkonferenz vom März 2012 umgesetzt wurde, am 2. April 2012 würden mit Beginn der Sammlung von Material gegen die NPD alle "Quellen auf Führungsebene" abgeschaltet. Der Bundesrat, der im Dezember 2013 den Verbotsantrag eingereicht hatte, "möge" den Vollzug hinsichtlich der Zahl und des Ablaufs der Abschaltungen darstellen "und in geeigneter Weise belegen".

Was die Zahl betrifft, sprechen Sicherheitskreise von ungefähr 20 rechtsextremen V-Leuten, die bis zum April 2012 aus Landesvorständen der NPD und dem Bundesvorstand Informationen geliefert haben. Vorsichtshalber seien allerdings noch mehr Spitzel abgeschaltet worden, heißt es.

Um zu belegen, wie der Abschied von den V-Leuten ablief, müssen der Verfassungsschutz und möglicherweise weitere Behörden zumindest einen Teil der zu den angeworbenen Spitzeln angelegten Akten vorlegen. In den Unterlagen werden die V-Leute mit Klar- und Tarnnamen benannt. Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts geht nicht hervor, ob die Richter auch die Klarnamen benötigen oder ob Dokumente akzeptiert würden, in denen Passagen geschwärzt sind. Offen bleibt auch, ob Angaben zu den V-Mann-Führern wichtig sind.

Der Verfassungsschutz steht nun vor einem Dilemma: Er hat den Spitzeln vertraglich Schutz zugesichert, muss nun aber möglicherweise sensible Daten preisgeben. Problematisch ist da nicht das Bundesverfassungsgericht an sich, sondern das Risiko, dass die NPD als "Antragsgegner" im Verfahren auf den Zugang zu sämtlichen sie betreffenden Informationen pocht. Erst recht beim Thema V-Leute. Der Prozessbevollmächtigte der Partei, der Saarbrücker Anwalt und NPD-Funktionär Peter Richter, glaubt, wenig überraschend, den Innenministern nicht, dass die V-Leute abgeschaltet wurden. Aus Richters Sicht ist die Einstellung des Verbotsverfahrens unumgänglich.

Wie funktioniert die Abschaltung von V-Leuten?

Die Behörden trennen sich eher lapidar von ihren Spitzeln. "Man fährt hin und sagt, das war's", erzählt ein Sicherheitsexperte. Die V-Person muss allerdings ein Dokument zur Entpflichtung unterschreiben. In dem Papier steht auch, dass keine Interna aus der Zeit der Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz ausgeplaudert werden dürfen. Auch nicht die Höhe des erhaltenen Honorars. Dem verabschiedeten V-Mann wird, wie einst bei der Anwerbung, noch einmal mitgeteilt, dass Geheimnisverrat strafbar ist. In der Regel sprechen V-Mann-Führer und V-Person dann noch eine "Nachsorge" ab.

Welche Nachsorge wird betrieben?

Bei langjährigen V-Leuten hilft der Verfassungsschutz nach der Abschaltung, wenn beispielsweise durch den Verlust des Spitzelhonorars finanzielle Probleme entstehen. In einigen Fällen erhalten V-Personen noch einige Monate etwas Geld. Es kommt auch vor, dass V-Mann-Führer arbeitslosen Ex-Spitzeln bei der Suche nach einer Stelle helfen. Problematisch wird die Nachsorge, wenn der frühere V-Mann dem Beamten doch noch Informationen aus einem extremistischen Milieu mitteilt. Der Bundesrat hatte dem Bundesverfassungsgericht versichert, spätestens seit dem 6. Dezember 2012 werde keine Nachsorge betrieben. Demnach war sie in den acht Monaten nach der Abschaltung der Quellen am 2. April des Jahres möglich. Auch dazu möchten die Richter weitere Details erfahren.

Die Richter in Karlsruhe fordern von den Sicherheitsbehörden Auskunft.
Die Richter in Karlsruhe fordern von den Sicherheitsbehörden Auskunft.

© Uli Deck/dpa

Was würde ein Verbot der NPD überhaupt bringen?

Ein Verbot der inzwischen 50 Jahre alten NPD würde das rechtsextreme Spektrum schwächen - vorübergehend. Sollte das Verfahren noch vor der im Herbst 2016 anstehenden Wahl in Mecklenburg-Vorpommern enden, würden die fünf Abgeordneten der NPD im Schweriner Landtag wahrscheinlich ihre Mandate verlieren. Es gäbe dann in keinem Landesparlament mehr Rechtsextremisten. Von einem Verbot wäre auch der einzige Abgeordnete der NPD im Europaparlament, Ex-Parteichef Udo Voigt, betroffen. Und es fielen die etwa 360 Kommunalmandate der NPD weg. Die finanzielle Unterstützung des Staates, 2014 waren es 1,4 Millionen Euro, würde gestrichen.
Die bislang ergangenen Verbote rechtsextremer Vereinigungen zeigen allerdings, dass die Szene sich laufend reorganisiert. Würde die NPD verschwinden, stünden weitere rechtsextreme Parteien als mögliche Auffangbecken bereit. Das gilt vor allem für die Partei "Die Rechte" mit 500 Mitgliedern, meist Neonazis. Der besonders aggressiv agierende Landesverband Nordrhein-Westfalen sitzt bereits in den Stadtparlamenten von Dortmund und Hamm.

Auch die Partei "Der Dritte Weg" mit 200 Mitgliedern würde vermutlich bei einem Verbot der NPD verstärkt Zulauf bekommen. In Ideologie und Agitation unterscheiden sich NPD, Die Rechte und Der Dritte Weg kaum. Sollte die Existenz der NPD beendet werden, stünden womöglich weitere aufwändige Verbotsverfahren gegen rechtsextreme Kleinparteien bevor.

Wie gefährlich ist die Partei noch?

Die NPD war schon angeschlagen, als der Bundesrat vor 16 Monaten den Verbotsantrag einreichte. Und der Niedergang hat sich beschleunigt. Im August 2014 flog die Partei aus dem sächsischen Landtag. Zehn Jahre hatte die Fraktion im Parlament gesessen, reichlich provoziert und junge Neonazis mit Jobs bedacht. Von der Niederlage bei der Wahl hat sich die NPD bis heute nicht erholt. Der sächsische Verband franst aus, Ende 2014 verließen im Osten des Freistaats mehrere Funktionäre die Partei. Bundesweit hat die NPD nur noch 5200 Mitglieder.

Letzte Bastion ist die Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern. In einer Umfrage vom Januar kam die NPD dort allerdings auf lediglich 1,1 Prozent. Und in Westdeutschland ist die Partei komplett bedeutungslos. Im Februar erreichte sie bei der Wahl in Hamburg nur noch 0,3 Prozent. In Bayern bekam sie 2013 bloß 0,6 Prozent, in Niedersachsen 0,8. Nur in Hessen schaffte die Partei in dem Jahr etwas mehr als ein Prozent, das reichte dann für die staatliche Erstattung von Wahlkampfkosten. Ein schwacher Trost für die finanziell notorisch klamme NPD.

Der im November zum neuen Parteichef gewählte Frank Franz versucht vergeblich, die Partei etwas moderner und seriös zu präsentieren. Den Rauswurf des rabiaten Neonazis Thomas Wulff, der den Hamburger Verband führt, vereitelte Anfang März das Bundesschiedsgericht der Partei. Frank Franz, von seinen Parteigegnern als "Firlefranz" verspottet, hat nur wenig Autorität und wird zudem von Udo Voigt herausgefordert.

Der Ex-Chef nutzt sein Mandat im Europaparlament für den Ausbau internationaler Kontakte, die zuhause der Parteibasis imponieren. Kürzlich trat er in St. Petersburg bei einem Kongress europäischer Rechtsextremisten auf. Eingeladen hatte die russische Vaterlandspartei, die dem Kreml nahe steht. Voigt wird seine "Reputation" wohl nutzen, um bei nächster Gelegenheit Frank Franz von der Parteispitze zu verdrängen.

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