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NPD-Verbotsverfahren: "Die NPD ist radikal wie eh und je"

Die Debatte über ein neues NPD-Verbotsverfahren hat in Deutschland wieder Fahrt aufgenommen. Tagespiegel.de hat mit dem NPD-Aussteiger Jan Zobel gesprochen und gefragt, was er von einem Verbot der Partei halten würde.

Was halten Sie von einem NPD-Verbotsverfahren?

Ich bin grundsätzlich kein Befürworter von Verboten in einer politischen Auseinandersetzung. Allerdings sehe ich bei der NPD mittlerweile genügend Anhaltspunkte für ein Verbot. Damit ist das Problem aber nicht aus der Welt geschafft. Da muss man unterscheiden, ob es hier um ein Verbot der NPD an sich geht oder um eine Schwächung dieser gesamten Szenerie.

Was würde ein Verbot für die Partei bedeuten?

Der Vorteil eines Verbots wäre zunächst einmal, dass die Strukturen zerschlagen wären und die Führungsfiguren wegbrechen würden. Damit könnte man ein Zeichen setzen in die gesamte Szene hinein, um die Leute unter Druck zu setzen.

In Ihrem Buch „Volk am Rand“ haben Sie geschrieben, dass die Politiker mit einem Verbot die für sie bequemere Variante wählen würden. Was genau haben Sie damit gemeint?

Aus Sicht der anderen politischen Parteien ist ein Verbot natürlich die schnelle Lösung. Das Problem ist damit scheinbar erst einmal gelöst. Aber die Diskussion über das Thema Rechtsextremismus darf nicht beendet werden, indem man sagt, „wir haben die NPD verboten und damit ist das Thema vom Tisch“. Denn das Problem bleibt weiterhin bestehen.

...Weil die rechte Szene in den Untergrund abwandern könnte, wo sie schwerer zu kontrollieren ist?

Die Gefahr ist immens groß, dass die Ideologie weiterhin einen Nährboden findet und dass ein Signal gesetzt wird nach dem Motto „Uns wurde Unrecht getan“. Das könnte die Szene stärken und es treibt natürlich eventuell Leute in die Illegalität. Leute, die dann tatsächlich bereit sind, andere Operationsweisen zu wählen anstatt Parteipolitik zu betreiben. Es ist ein absolut kontroverses Thema, wo ich nicht abschließend sagen könnte, ich bin Gegner oder Befürworter eines Verbots.

Sie kennen die Partei und ihre Strukturen ganz gut. Wie hat sich die Partei Ihrer Einschätzung nach auf ein mögliches Verbot eingestellt?

Es gibt ja neben der offiziellen Struktur der Partei die sogenannten freien Kameradschaften, die ganz unterschiedlich gestaltet und aufgebaut sind. Zum Teil sind das einfach Gruppierungen, die der NPD sehr nahe stehen und völlig legal arbeiten. Und zum Teil gibt es eben auch militante Zellen, die aber ebenfalls Kontakte zur NPD pflegen. Es kann natürlich durchaus sein, dass nach einem Parteiverbot Aktivisten, die sich bisher parteilpolitisch eingebracht haben, dann den Weg wählen in diese freien Kameradschaften, die für den Staat viel schwerer zu überwachen sind.

Ein Verbot wäre nur dann sinnvoll, wenn man auch danach akribisch darauf achten würde, dass diese Strukturen auf keinste Weise weiter geführt werden. Wir haben in Deutschland schon einige Verbote gehabt, zum Beispiel der Gruppierung "Blood and Honour". Das war ein Schuss in den Ofen, absolut erfolglos. Man hat die Organisation verboten und sich selbst auf die Schulter geklopft. Doch diese Personen, die da agiert haben, agieren heute unter anderem Deckmantel viel erfolgreicher als damals.

Hat der Staat auch bei der NPD versagt? Das letzte Verbotsverfahren war ein Debakel, nun weigern sich Innenminister aus acht Ländern, dem Bund die gewünschten Informationen vorzulegen…

Was ich sehr kritisch sehe, ist die Rolle des Verfassungsschutzes in dieser ganzen Geschichte: Auf der einen Seite heißt es, die V-Männer müssen drin bleiben, weil sie die Partei überwachen müssen. Es werden Millionen aufgewendet, um die Personen dort zu halten und vor allem auch an zweifelhafter Stelle zu halten. Zum Teil sind die V-Leute selbst Funktionäre, zum Teil wirken sie radikalisierend auf die Jugendszene ein.

Auf der anderen Seite führen die Diskussionen über ein mögliches Verbot nicht dazu, dass die Informationen auch herausgerückt werden. Es liegt viel mehr an Material vor als im Verfassungsschutzbericht steht. Ich wundere mich doch sehr, dass die Informationen, die offensichtlich vorhanden sind, nicht benutzt werden.

Sind Sie aufgrund Ihrer eigenen Erfahrungen innerhalb der NPD der Ansicht, dass die Partei verfassungsfeindlich ist?

Ich sehe die NPD durch und durch als verfassungsfeindlich an. Das sieht man schon daran, dass die Abgrenzungen zum kriminellen und auch nationalsozialistischen Milieu völlig weg sind. Ehemalige Funktionäre verfassungsfeindlicher Parteien, die inzwischen verboten sind, sind mittlerweile in der Führungsebene der NPD tätig. Sie setzen dort fort, was sie seinerzeit in radikaleren Parteien wie etwa der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei gemacht haben.

Die NPD arbeitet ganz offensichtlich auch mit Gewalttätern zusammen - mit Personen, die wegen Körperverletzung angeklagt waren oder etwas mit Terrorismus zu tun hatten, also etwa eine kriminelle Karriere als Bombenbauer und –bastler gemacht haben. Sie sind mittlerweile in der NPD absolut integriert und arbeiten zum Teil als Mitarbeiter von Landtagsfraktionen. Dafür gibt's unzählige Beispiele. Die NPD schämt sich dessen auch nicht mehr, sie geht ganz offensiv damit um. Wenn jetzt in der Verbotsdebatte leisere Töne angeschlagen werden, ist das natürlich Humbug. Die sind radikal wie eh und je.

Inwieweit nutzt die Debatte über ein mögliches Verbot der NPD?

Diese Debatte nutzt der NPD ungemein und ich konnte nicht begreifen, warum im Landtagswahlkampf in Mecklenburg-Voprommern eine NPD-Verbotsdiskussion angestoßen wurde. Ich halte das für absolut fatal. Denn die NPD fischt bei den Wählern um Stimmen, die dieses System ablehnen. Wenn darüber diskutiert wird, die NPD zu verbieten, dann ist das geradezu eine Einladung für die Unzufriedenen. Sie sagen sich: „Das ist die Partei, die muss ich wählen, damit kann ich die ärgern“.

Ich halte diese ewige Diskussion darüber für überflüssig. Das ist eine Geschichte, die muss auf der Innenministerkonferenz besprochen werden. Das gesellschaftliche Klima ist da, es muss nicht herbei geredet werden, es müssen keine Mehrheiten geschaffen werden. Und wenn es tatsächlich so ist, dass es hieb- und stichfeste Beweise gibt, dann muss man das auch schnell durchziehen.

Lassen Sie uns über die Alternativen zu einem Verbot sprechen. Was ist davon zu halten, NPD-nahen Einrichtungen den Geldhahn abzudrehen?

Ich glaube, dass der Druck, der von Seiten des Staats aufgebaut wird, schon etwas bringt. Allerdings muss es aber auch immer rechtsstaatlich zugehen. Natürlich muss man denen den Zugang zu Geldern so schwer wie möglich gestalten. Aber es wäre der völlige Wahnsinn, wenn eine Landtagsfraktion der NPD in irgendeiner Form benachteiligt würde - sprich, dass sie weniger Geld bekäme oder ihr der Zugang zu irgendwelchen Gremien verweigert würde. Dann fangen wir an, an der Demokratie zu basteln und das halte ich für gefährlich. Das ist nicht der richtige Weg. Da, wo Straftaten sind, da muss man ermitteln, da wo man die Möglichkeit hat, ihnen das Leben schwer zu machen, soll man es auch machen. Aber es muss alles im Rahmen des demokratischen Konsens stattfinden.

Sie üben offen Kritik an der NPD, haben ein Buch über die Verstrickungen der Partei geschrieben und bezeichnen sie offen als verfassungsfeindlich. Haben sie manchmal Angst, wenn Sie sich so offen äußern?

Natürlich spielt das Thema Angst immer eine Rolle bei diesem Thema. Man kennt seine Pappenheimer und weiß, dass es innerhalb der Szene genug Leute gibt, die gewalttätig sind und vor Gewalt nicht zurück schrecken. Aber ich finde, man muss die Öffentlichkeit suchen und den Leuten die Stirn bieten und mit dem Thema offen und selbstbewusst umgehen. Ich möchte anderen Mut machen, sich gegen die rechte Szene aufzulehnen. Das kann man tatsächlich nur machen, wenn man damit auch offen und entspannt umgeht.

Jan Zobel (Jahrgang 1976) wird 1993 Mitglied der Jungen Nationaldemokraten und der NPD. Anfang 1997 tritt er wieder aus, 2001 bricht er endgültig mit der rechtsradikalen Szene. Sein Buch "Volk am Rand", in dem er sich mit der NPD auseinander setzt, erscheint 2005.

Das Interview führte Nicole Messmer

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