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Über ein Verbot der NPD muss demnächst wieder das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

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NPD-Verbotsverfahren: Zwei mutmaßliche NSU-Unterstützer tauchen wie 2001 im Antrag auf

Im Antrag des Bundesrates für ein NPD-Verbot findet sich eine Parallele zum Verbotsantrag von 2001: In den Kapiteln, die sich mit der personellen Verflechtung der NPD mit der Neonazi-Szene befassen, werden erneut die mutmaßlichen NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben und Carsten Schultze erwähnt.

Von Frank Jansen

Die zwei Männer erscheinen auf makabere Weise als einzigartige Figuren in der Geschichte der Bundesrepublik. Ralf Wohlleben und Carsten Schultze sind Angeklagte im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München – und der Bundesrat nennt sie wie schon 2001 auch diesmal in seinem 268 Seiten umfassenden, kürzlich beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Antrag auf ein Verbot der NPD. In beiden Dokumenten, die der Tagesspiegel einsah, sind Wohlleben und Schultze in den Kapiteln erwähnt, die sich mit der personellen Verflechtung der rechtsextremen Partei mit der Neonazi-Szene befassen. Dieses Detail ist eine auffällige Überschneidung in den Verbotsanträgen, die der Bundesrat 2001 parallel zu Bundestag und Bundesregierung sowie 2012 alleine beschloss. Es gibt allerdings auch gravierende Unterschiede. Doch wer hätte 2001 gedacht, der Bekanntheitsgrad von Wohlleben und Schultze werde noch derart steigen?

In den 1990er Jahren drifteten die zwei Thüringer in Jena ins braune Milieu und bekleideten dann Posten in der NPD. Wohlleben stieg sogar bis zum stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden auf. Die Bundesanwaltschaft wirft beiden Männern vor, sie hätten dem NSU die Pistole Ceska 83 verschafft, mit der Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun türkisch- und griechischstämmige Migranten erschossen. Schultze hat gestanden, Wohlleben schweigt.
Der NSU, der schon während des ersten Verbotsverfahrens mordete, aber unbekannt war, ist im aktuellen Antrag des Bundesrates in noch einem Punkt bedeutsam. 1998 bat der Jenaer Neonazi André K., ein mutmaßlicher Unterstützer der Terrorzelle, in Berlin den damaligen NPD-Bundesgeschäftsführer Frank Schwerdt um Hilfe. André K. fragte ihn nach Adressen im Ausland für die weitere Flucht von Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe. Schwerdt half nicht, dennoch könnte die Geschichte der NPD im Verbotsverfahren schaden. Im Antrag des Bundesrates steht ein heikles Interview, das Schwerdt 2012 den ARD-Tagesthemen gab.
Schwerdt, inzwischen Vizechef der NPD, wurde gefragt, ob er kein Problem damit hatte, dass André K. trotz seiner Bemühungen für die drei verschwundenen Bombenbastler später Mitglied der NPD werden konnte. Schwerdt: „Ich habe gar kein Problem damit gehabt.“
Die Antwort ist für die Prozessbevollmächtigten des Bundesrates, die an der Berliner Humboldt-Universität lehren, den Rechtswissenschaftler Christoph Möllers und Christian Waldhoff, ein Beleg für Verbindungen der NPD zu gewaltbereiten Neonazis. Allerdings verzichten die Juristen darauf, den NSU als bewaffneten Arm der NPD darzustellen. Dieser Verdacht hatte nach dem NSU-Schock die Debatte um ein Verbot der Partei befeuert, doch ein Beweis fand sich nicht.
Möllers und Waldhoff geben sich im Antrag trotzdem sicher, das belastende Material genüge, um beim Bundesverfassungsgericht ein Verbot der NPD zu erreichen. Aus Sicht der Professoren ist zudem undenkbar, der Antrag werde am Thema V-Leute scheitern, wie es 2003 Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung widerfuhr. Die Karlsruher Richter stellten das Verfahren ein, nachdem Spitzel des Verfassungsschutzes in Vorständen der NPD enttarnt worden waren. Der aktuelle Antrag hingegen verzichte vollständig auf die Verwendung von Informationen, die von „Quellen“, also V-Leuten, ermittelt wurden, heißt es. Und es gibt keine Fundstellen, die wie 2001 nebulös als „Behördenzeugnis“ des Verfassungsschutzes gekennzeichnet werden.

Die Professoren bieten viel „offenes“ Propagandamaterial der NPD, in dem NS-Nostalgie und die Hetze gegen die Demokratie deutlich werden – der Antrag beginnt schon mit einem Wahlplakat von 2011, auf dem sich der damalige Parteichef Udo Voigt mit der Parole „Gas geben!“ präsentiert. Anders als der Bundesrat 2001 haben Möllers und Waldhoff den Antrag auch mit zwei sozialwissenschaftlichen Studien gespickt. Geschildert werden unter anderem Machenschaften der Partei in Mecklenburg-Vorpommern, wo sie wie in Sachsen im Landtag sitzt.

Doch Möllers und Waldhoff wissen auch, dass sie rechtlich Neuland betreten. Die bislang vom Bundesverfassungsgericht verkündeten Parteiverbote, 1952 gegen die rechtsextreme SRP und 1956 gegen die KPD, liegen so lange zurück, dass die Professoren von „geringerem Erkenntniswert“ sprechen. 2001 hatte der Bundesrat noch betont, an der im KPD-Urteil „entfalteten Rechtsprechung“ sollte in vollem Umfang festgehalten werden. Möllers und Waldhoff interpretieren das Verbotsverfahren vor allem als „justizielle Prävention vor politischen Gefahren“ für die Bundesrepublik – unabhängig von Größe und Zustand der Kleinpartei NPD.

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