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Angezählt. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD, links) und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann (Grüne) am Dienstag in Düsseldorf.

© dapd

Politik: NRW-Etat ist verfassungswidrig

Landesverfassungsgericht in Münster bremst rot-grüne Regierung – und belebt Debatte über Neuwahlen

Besonders lange musste Hannelore Kraft nicht nachdenken. Die mündliche Begründung der Münsteraner Verfassungsrichter bewegte sich in exakt dem Rahmen, über den alle Düsseldorfer Strategen seit der mündlichen Verhandlung Mitte Februar nachgedacht hatten. Wenn die nordrhein-westfälische Regierungschefin dennoch in erster Reaktion davon spricht, dass man den Spruch erst einmal „genau analysieren“ werde, ist das eher eine Höflichkeitsfloskel dem Gericht gegenüber. Außerdem bietet jeder Gewinn an Zeit die Chance, die Taktik noch einmal zu überdenken und – möglicherweise – die Vielstimmigkeit bezogen auf die Neuwahldebatte wieder einzufangen, die seit Tagen im größten Bundesland eine neue Dynamik entfaltet hat.

Die Richter hatten den Nachtragshaushalt des Jahres 2010 gekippt und es sich dabei – zumindest auf den ersten Blick – leicht gemacht. Die Münsteraner haben sich in ihrer Mehrheitsentscheidung um alle wichtigen Fragen herumgedrückt. Sie haben den Haushalt mit dem schlichten Hinweis, die Störungslage des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes sei nicht ausreichend begründet worden, zunächst einmal rein formal geurteilt.

Zwischen den Zeilen ließen sie zwar erkennen lassen, dass sie zweifeln, ob die wirtschaftliche Lage in Deutschland Ende vergangenen Jahres noch gestört war. Aber sie mogeln sich um die klare Beantwortung herum. Sie sagen schlicht: Die Regierung hat nicht ausreichend dargelegt, warum sie die Lage für gestört hält. In einem zweiten Punkt geht Münster weit über juristische Beurteilungsmaßstäbe hinaus: Das Verfassungsgericht setzt dem Gesetzgeber enge Spielräume bei der Frage, ob einzelne Haushaltstitel am Ende auch wirklich geeignet sind, die Störungslage in der Wirtschaft zu beseitigen.

Vor diesem Hintergrund könnte sich eine zweite Einschätzung der Düsseldorfer Regierungschefin als falsch erweisen. „Dieser Spruch hat nach meiner vorläufigen Einschätzung erst einmal keine Auswirkungen auf den Haushalt 2011“, sagte Kraft. Wer sich die Hinweise des Gerichtes über die Zwangsläufigkeit einzelner Maßnahmen auf die Störungslage der Wirtschaft ansieht, kann allerdings auch zu einem anderen Ergebnis kommen. „Die Richter akzeptieren nur Investitionen in Beton und Straßen“, meint ein Regierungsmitglied.

Die Opposition sieht das ähnlich. „Frau Kraft hat die Verschuldung zum Regierungsprinzip erklärt“, sagte CDU-Chef Norbert Röttgen und kündigte an, das Gericht beim Haushalt 2011 wieder anzurufen. Erst in dem neuen Zahlenwerk stehen die rot-grünen Wohltaten wie die Abschaffung der Studiengebühren – genau die dürften nicht dem Mehrheitswillen der Münsteraner Richter entsprechen.

Rot-Grün wird also nicht darauf setzen können, im aktuellen Haushaltsverfahren die Störungslage intensiver zu begründen. Die Minderheitsregierung wird nachweisen müssen, warum zum Beispiel die Abschaffung der Studiengebühren geeignet erscheint, die wirtschaftliche Entwicklung rasch zu beflügeln. Ob sich die Regierung derart in die Hände des Verfassungsgerichtes begibt, ist zweifelhaft. Also doch Neuwahlen? Bevor die Regierungsstrategen ihren Fahrplan dazu offenlegen, haben sie noch einigen Beratungsbedarf. Vermutlich hat Kraft das gemeint, als sie so zurückhaltend geantwortet hat.

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