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Beim Amtseid: die neue NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).

© dpa

NRW: Kraft im zweiten Anlauf gewählt

Hannelore Kraft ist neue Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen. Die SPD-Politikerin erhielt im zweiten Wahlgang die erforderliche einfache Mehrheit. Die 90 Abgeordneten von SPD und Grünen stimmten für sie, die Linke enthielt sich.

Für Kraft stimmten 90 Abgeordnete. Sie erhielt alle Stimmen von SPD und Grünen. Mit Nein votierten 80 Abgeordnete, die elf Abgeordneten der Linken machten ihre Ankündigung, die Wahl Krafts zu ermöglichen, wahr und enthielten sich der Stimme. Die 49-jährige Sozialdemokratin steht an der Spitze einer rot-grünen Minderheitsregierung. Nachdem die SPD-Frau im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit verfehlt hatte, benötigte sie im zweiten Wahlgang nur die einfache Mehrheit.

Bei der Landtagswahl am 9. Mai war die bisher regierende schwarz-gelbe Koalition von Regierungschef Jürgen Rüttgers abgewählt worden. Kraft hatte danach mit allen im Landtag vertretenen Parteien Sondierungsgespräche über die Bildung einer Koalition geführt. Einer großen Koalition mit der CDU hatte die SPD danach eine Absage erteilt. Ein Ampelbündnis scheiterte an den Gegensätzen zwischen FDP und Grünen.

Kraft wirbt für faire Zusammenarbeit mit Opposition

In einer kurzen Ansprache warb Hannelore Kraft im Anschluss an ihre Wahl und ihre Vereidigung für eine faire Zusammenarbeit mit der Opposition. Die rot-grüne Minderheitsregierung ist im Parlament darauf angewiesen, dass zumindest jeweils eine Oppositionspartei ihre Gesetzesvorhaben unterstützt. Alle Parteien müssten dem Wohle des Landes besonders verpflichtet sein, so Kraft. Sie rief "alle Fraktionen des Landtages dazu auf, das Beste für unser Land zu leisten". "Wir werden aufeinander zugehen müssen", sagte Kraft, die Minderheitsregierung sei auch "eine Chance, einander zuzuhören und gute Kompromisse zu finden." Ihr Ziel sei ein "zukunftsfähiges und solidarisches Nordrhein-Westfalen" und ein Land, das soziale Teilhabe für alle ermögliche. Noch heute wird der scheidende Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) die Amtsgeschäfte seine Nachfolgerin übergeben. Morgen will Hannelore Kraft dann ihr Kabinett präsentieren.

Linken-Parteichefin Gesine Lötzsch sieht in der Wahl der SPD-Politikerin Hannelore Kraft zur NRW-Ministerpräsidentin einen ersten Schritt zur Ablösung der schwarz-gelben Koalition im Bund. "Um diese Regierung abzulösen, braucht man eine längerfristige Strategie. Ein "erster Schritt" könne "die Minderheitsregierung in NRW sein", schreibt Lötzsch in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel (Donnerstagsausgabe). Die Linken-Politikerin bevorzuge zwar "Koalitionen, die auf der Grundlage eines Vertrages regieren", betrachtet "diese Koalition aber als Möglichkeit zur Vertrauensbildung":  "SPD und Grüne werden im politischen Alltagsgeschäft lernen, dass "Die Linke" berechenbar ist. Sie wird immer dann die Regierung unterstützen, wenn es um mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Umweltschutz und Bildung geht", schreibt Lötzsch weiter.

Löhrmann: Rot-Grün will möglichst fünf Jahre lang regieren

Die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen setzt laut der Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann auf eine langfristige Regierungsarbeit. "Wir wollen regieren, und wir legen diese Regierung und den Koalitionsvertrag auf fünf Jahre an", sagte Löhrmann dem ZDF-"Morgenmagazin". Den Bündnispartnern sei bewusst, dass die Minderheitsregierung "ein Wagnis" sei. Sie könne aber auch "ein Gewinn für die politische Kultur sein, möglicherweise auch bundesweit", fügte Löhrmann hinzu.

Die nordrhein-westfälische Landesverfassung sehe ausdrücklich die Möglichkeit einer Minderheitsregierung vor, hob die Grünen-Politikerin hervor. Die Menschen im Land hätten den "Politikwechsel" gewollt, und auch wenn die Mehrheitsverhältnisse schwierig seien, rechneten die Wähler laut Umfragen SPD und Grünen positiv an, "dass wir jetzt anfangen wollen zu gestalten". Die neue Regierung könne eine "neue demokratische Kultur einleiten", die nicht dem alten "Muster Regierung gegen Opposition" folge, sagte Löhrmann. Sie rief die anderen Parteien im Landtag zur Zusammenarbeit auf. Die CDU könne bei der Integration von Behinderten kooperieren, die FDP beim Thema Kinderbetreuung und die Linkspartei bei Abschaffung der Studiengebühren.

Eine rot-grüne Regierung in NRW habe "natürlich" Auswirkungen auf den Bund, sagte Löhrmann. Den Einfluss könne das Bundesland bei den Themen Atomausstieg, Gesundheitspolitik und Haushaltssanierung nutzen. Der Bundesrat sei ein "wichtiges Korrektiv" für die Bundespolitik, "und diese Macht wollen wir auch ausdrücklich nutzen zum Wohle Nordrhein-Westfalens". Sobald die rot-grüne Minderheitsregierung in Düsseldorf im Amt ist, hat Schwarz-Gelb in der Länderkammer keine Mehrheit mehr.

CDU-Generalsekretär: NRW-Regierung "waghalsiges Experiment"

Union und FDP warfen der SPD in Nordrhein-Westfalen Wortbruch vor. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte am in Berlin, vor der Landtagswahl habe es noch geheißen, Nordrhein-Westfalen könne nicht mit einer Tolerierung der Linken regiert werden. Die neue Regierung brauche nun aber die Zusammenarbeit mit der Linkspartei.

Für Gröhe ist die künftige rot-grüne Minderheitsregierung ein "waghalsiges Experiment". Dem Bundesland drohe eine Rekord-Neuverschuldung und damit ein Schuldeninfarkt. "Das Motto ist: Alles ist machbar", kritisierte er. Zugleich drohe dem Bundesland ein Bildungsinfarkt. Die künftige Regierung verfolge eine "krasse Bevorzugung" der Gemeinschaftsschule.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte, die SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft sei "durch ihren eigenen Demokratietest durchgefallen". "Nordrhein-Westfalen wird unter Rot-Rot-Grün zum deutschen Sanierungsfall." Das Bundesland rutsche immer tiefer in den Verschuldungsstaat und werde zum "deutschen Griechenland".

FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte, Äußerungen des SPD-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel deuteten darauf hin, dass dieser auf einer ähnlichen Grundlage die Kanzlerschaft anstrebe. (mit dpa und AFP)

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