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NS-Gedenken: Geteilte Erinnerung

In Krakau rettete Oskar Schindler hunderte Juden – doch in der Stadt gilt er nicht nur als Held. Am 28. April wäre der Industrielle 100 Jahre alt geworden.

Jeder in Krakau kennt Oskar Schindler. Hier hatte er während des Zweiten Weltkriegs seine Fabrik, in der bis zu 800 Juden beschäftigte. Doch wer ein Denkmal sucht, eine Erinnerungsplakette oder eine Straße, die nach dem deutschen Industriellen benannt ist, wird nicht fündig. Der Grund: Der Name Schindler spaltet in Krakau bis heute die Bevölkerung. Vor allem die alten Leute, die den Deutschen noch aus eigener Erinnerung kennen, sind auf ihn nicht allzu gut zu sprechen. Für sie hat er wenig gemeinsam mit dem Helden aus dem Hollywoodfilm von Steven Spielberg, der über tausend Juden das Leben retten konnte. Im Gedächtnis dieser älteren Krakauer ist Oskar Schindler, der am Montag 100 Jahre alt geworden wäre, nicht selten abgespeichert als Kriegsgewinnler, Spekulant und Frauenheld.

Das war auch einer der Gründe, weshalb in Krakau der Welterfolg des Filmes „Schindlers Liste“ im Jahr 1993 nicht für eigene Werbezwecke genutzt wurde. Lange wurde sogar darauf verzichtet, den Standort der ehemaligen Emailwarenfabrik Schindlers in der Ulica Lipowa kenntlich zu machen, in der bis in die neunziger Jahre hinein noch ein kleiner Elektrobetrieb produzierte. Erst im Jahr 2005 entschlossen sich die Stadtväter wenigstens, den völlig verwahrlosten Eingang zu dem zweistöckigen Verwaltungsgebäude und den drei Produktionshallen provisorisch wiederherzurichten. Nun hängt dort, wo der deutsche Industrielle von 1939 bis 1944 seine Fabrik hatte, ein großes Schild: „Fabryka Oskara Schindlera – Emalia“.

Doch so ganz konnte man sich den ständigen Fragen der interessierten Touristen nach dem Mann, der zahlreiche Juden aus dem Krakauer Ghetto rettete, nicht mehr verschließen. In der ehemaligen Schindler-Fabrik wird seit einigen Monaten renoviert. Dort soll vom kommenden Jahr an eine Dauerausstellung zur Stadtgeschichte von 1939 bis 1956 zu sehen sein. Natürlich wird auch Oskar Schindler darin gewürdigt werden – allerdings wird es kein Schindler-Museum geben, wie von allen Seiten immer wieder betont wird. „Oskar Schindler wird in der Ausstellung als einer von vielen Rettern von Juden dargestellt werden, aber nicht als der einzige. „Viele Juden wurden von Polen gerettet, die zudem mehr riskiert haben als Schindler. Zudem hatte er auch ein Interesse, daran zu verdienen“, erklärt Michal Niezabitowski, Direktor des Krakauer Historischen Museums. Der Plan des Krakauer Bürgermeisters Jacek Majchrowski sieht zudem vor, in der ehemaligen Schindler-Fabrik auch ein Museum für Moderne Kunst einzurichten.

Auch der Hinweis, dass in anderen Städten wie Frankfurt oder Regensburg der 100. Geburtstag Schindlers am 28. April mit großen Ausstellungen gewürdigt wird, kann die Verantwortlichen in Krakau nicht von ihrem Weg abbringen. Denn den einen Deutschen Oskar Schindler herauszuheben, würde heißen, die vielen Polen zu vergessen, die für die Rettung von Juden ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben.

Knut Krohn[Warschau]

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