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Politik: NS-Werbung auf Staatskosten: Thüringens Verfassungsschutz finanzierte per Spitzellohn die NPD

Thüringens Innenminister Christian Köckert (CDU) hat gerade wenig Freude an seinem Amt. In der Affäre um den ehemaligen NPD-Landesvize Tino Brandt, der als "Quelle Otto" für den Erfurter Verfassungsschutz jahrelang Berichte geliefert und den Spitzellohn in die rechtsextreme Szene investiert haben soll, kann Köckert wenig sachdienliche Angaben machen.

Thüringens Innenminister Christian Köckert (CDU) hat gerade wenig Freude an seinem Amt. In der Affäre um den ehemaligen NPD-Landesvize Tino Brandt, der als "Quelle Otto" für den Erfurter Verfassungsschutz jahrelang Berichte geliefert und den Spitzellohn in die rechtsextreme Szene investiert haben soll, kann Köckert wenig sachdienliche Angaben machen. Er verweist schmallippig auf "Geheimnisschutz".

Der Neonazi aber, aus Sorge um sein Überleben in der Szene oder aus Verärgerung über die wohl gezielte Enttarnung seiner Spitzeldienste, offenbart immer neue Details seiner Tuschelrunden mit den Schlapphüten. Gegenüber dem Tagesspiegel bestätigte Brandt, bei den wöchentlichen Treffen mit den Verfassungsschützern seit 1994 jeweils 500 bis 800 Mark erhalten zu haben. Ob es nun jährlich 25 000 oder 40 000 Mark waren, darauf mag sich der korrekte Einzelhandelskaufmann nicht festlegen: "Man führt ja keine Strichlisten."

Das Geld, versichert Brandt, habe er "schon aus moralischen Gründen" ausschließlich in die "politische Arbeit" fließen lassen. Zum Beispiel in Klebezettel: Gelbe Blätter mit dem Konterfei des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess und dem Spruch "Wir vergessen nichts!". Auf die ist Brandt besonders stolz: "Erst hat der Staat die vierzigtausend Zettel bezahlt, und dann musste die Polizei als Spachtelkommando die Dinger wochenlang von den Häusern kratzen."

Köckerts Sprecher Andreas Karmrodt weist die öffentliche Entrüstung über die quasi staatliche Neonazi-Alimentierung derweil mit lockeren Sprüchen zurück. Informanten in der rechten Szene seien schließlich "nicht mit einem Vaterunser" abzuspeisen, sagte Karmrodt am Mittwoch. Doch können weitere Aussagen von Brandt, der vor wenigen Tagen "aus pragmatischen Gründen" aus der NPD austrat, dem Innenminister noch schwer zu schaffen machen.

Köckert hatte bislang bestritten, dass der Thüringer Verfassungsschutz "zum jetzigen Zeitpunkt" Spitzenfunktionäre der rechten Szene als V-Leute beschäftigt. "Wenigstens bis Anfang Mai", so Brandt, sollen weitere Mitglieder des NPD-Landesvorstandes dem Geheimdienst Berichte geliefert haben. Bereits im vergangenen Jahr musste Helmut Roewer als Präsident des Thüringer Verfassungschutzes gehen, nachdem eine Zusammenarbeit des Amtes mit dem führenden Neonazi Thomas Dienel bekannt geworden war. Innenminister Köckert hatten im November 2000 angekündigt, auf rechtsextreme Führungskräfte als Informanten verzichten zu wollen. Sollten die neuen Vorwürfe zutreffen, ist Köckert aus Sicht der Erfurter Opposition politisch nicht mehr tragbar.

Jens Voigt

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