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Politik: NS-Zwangsarbeiterentschädigung: Armutszeugnis für die deutsche Industrie - Wie der Grass-Aufruf aufgenommen wird

Der Schriftsteller Günter Grass, die Journalistin Carola Stern und der Pädagoge Hartmut von Hentig haben jeden erwachsenen Deutschen aufgerufen, 20 Mark zur Entschädigung von ehemaligen NS-Zwangsarbeitern zu spenden. Der Tagesspiegel fragte bei Politikern und Vertretern von Opferverbänden und jüdischen Organisationen nach.

Der Schriftsteller Günter Grass, die Journalistin Carola Stern und der Pädagoge Hartmut von Hentig haben jeden erwachsenen Deutschen aufgerufen, 20 Mark zur Entschädigung von ehemaligen NS-Zwangsarbeitern zu spenden. Der Tagesspiegel fragte bei Politikern und Vertretern von Opferverbänden und jüdischen Organisationen nach.

"Der Vorschlag ist brauchbar, um die Gesamtverantwortung der Deutschen deutlich zu machen. Ob es bei den Bundesbürgern die Bereitschaft zu so einer Spende gibt, will ich nicht vorhersagen. Die Stiftungsinitiative erfreut sich einer breiten Unterstützung auch in der Öffentlichkeit. Auf keinen Fall bedeutet der Vorschlag aber eine Entlastung der deutschen Wirtschaft. Die Unternehmen können nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Etwaige Spenden würden stets zu den fünf Milliarden zugerechnet."

Otto Graf Lambsdorff, Regierungsbeauftragter für die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern.

"Ich verstehe Günter Grass so, dass er mit seinem Vorschlag darauf aufmerksam machen möchte, dass wir Deutschen unsere Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit nicht delegieren können. Jeder Einzelne muss sich damit auseinander setzen, seinen eigenen individuellen Beitrag zu finden. Allerdings darf der Vorschlag nicht davon ablenken, dass es ein Armutszeugnis für die deutsche Industrie ist, wie zögerlich die versprochene Summe von fünf Milliarden Mark zusammengetragen wird. Das ist empörend und muss sich schnell ändern."

Rezzo Schlauch, Grünen-Fraktionsvorsitzender im Bundestag.

"Als erster Schritt steht die Verantwortung der deutschen Wirtschaft. Sie hat sich verpflichtet. Es wäre ein Skandal und ein Offenbarungseid, wenn dies in den nächsten Wochen nicht erfüllt werde. Erst dann müssen wir über Alternativen nachdenken, dieser Vorschlag könnte ein solcher sein."

Michel Friedman, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.

"Ich unterstütze diese Aktion und werde mich persönlich auch mit einer entsprechenden Spende an ihr beteiligen. Der Druck auf die deutschen Unternehmen, sich am Stiftungsfonds zu beteiligen, darf aber nicht kleiner werden."

Guido Westerwelle, FDP-Generalsekretär

"Diese Initiative ist hervorragend, denn der Zwangsarbeiterfonds schließt ja weite Teile der Bevölkerung aus, wie zum Beispiel die privaten Haushalte oder die kleinen Betriebe. Deswegen ist es richtig, auch in der breiten Bevölkerung etwas zu tun. Der Haken ist nur, dass die Initiative zwar aufruft zu Spenden für die Bundesstiftung, die angegebene Kontonummer allerdings die der gleichnamigen Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft ist. Wir denken aber, dass das ein Versehen ist."

Lothar Evers, Geschäftsführer des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte.

"Dies ist ein ehrenwerter Vorschlag. Das Wichtigste daran ist das Zeichen, dass sich jeder mit der Vergangenheit beschäftigen soll. Aber ich finde nicht, dass damit die deutsche Industrie aus der Pflicht entlassen ist, fünf Milliarden Mark in den Entschädigunsfonds einzuzahlen. Der Vorschlag ist kein geeigneter Ersatz für die noch fehlenden fast zwei Milliarden Mark."

Deidre Berger, Leiterin des Berliner Büros des American Jewish Committee.

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