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Politik: NSA forscht an Supercomputer

Bericht: US-Geheimdienst will alles entschlüsseln.

Washington - Der US-Geheimdienst NSA arbeitet einem Bericht zufolge an der Entwicklung eines sogenannten Quantencomputers. Dieser solle in der Lage sein, nahezu alle Verschlüsselungen zu knacken, berichtete die Zeitung „Washington Post“ unter Berufung auf Dokumente des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden. Mit dem Supercomputer könnte sich der Geheimdienst dem Bericht zufolge umfangreichen Zugriff auf Bank-, Gesundheits-, Regierungs- oder Wirtschaftsdaten verschaffen. Technologieunternehmen wie der US-Konzern IBM arbeiten schon seit längerer Zeit an der Entwicklung von Quantencomputern, die wesentlich schneller und sicherer sein sollen als normale Computer.

Dem Bericht zufolge betreibt die NSA ihre Forschungen zu Quantencomputern in großen, abgeschirmten Räumen, sogenannten faradayschen Käfigen. Die NSA wolle sich dazu nicht äußern. Experten sagten der Zeitung, es sei unwahrscheinlich, dass der Geheimdienst die Entwicklung von Quantencomputern ohne Wissen der Technologieindustrie vorantreibe. Er glaube nicht, dass die NSA weiter sei als andere Forscher, „ohne das jemand davon weiß“, sagte Scott Aaronson vom renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT).

Die EU und die Schweiz hätten nach Angaben eines weiteren MIT-Professors im vergangenen Jahrzehnt in dem Bereich große Fortschritte gemacht und bei der Entwicklung der Technologie für Quantencomputer inzwischen mit den USA gleichgezogen.

Nach Einschätzung von Experten könnte es bis zum Bau eines Quantencomputers noch Jahre dauern. Ein Quantencomputer könnte heute gängige Verschlüsselungstechniken, die beispielsweise beim Online-Banking und im E-Mail-Verkehr genutzt werden, problemlos knacken. Wie die Zeitungen „New York Times“, „Guardian“ und das US-Nachrichtenportal „ProPublica“ im September berichteten, sind die Geheimdienste aus den USA und Großbritannien auch heute schon in der Lage, verschlüsselte Kommunikation zu knacken. Gängige Techniken für E-Mails, Banküberweisungen oder Telefonate seien für die NSA und das britische Pendant GCHQ keine Hindernisse. Erst kürzlich hatte der „Spiegel“ unter Berufung auf Snowden-Dokumente über weitere Angriffs- und Abhörfähigkeiten der NSA berichtet. Demnach könne der Geheimdienst Computer von Zielpersonen präzise und unauffällig mit Ausspähsoftware infizieren.

Als Reaktion auf den Spionageskandal hatten Internetkonzerne wie Google und Yahoo angekündigt, die Daten ihrer Nutzer durch Verschlüsselung künftig besser zu schützen. Seit Juni kamen durch Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden, der derzeit Asyl in Russland genießt, eine Reihe von Spähaktivitäten der NSA und verbündeter Geheimdienste ans Licht. Zu den Abhörzielen gehörte auch das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Vor einigen Tagen legte eine Expertengruppe US-Präsident Barack Obama 46 Vorschläge für eine Begrenzung der Geheimdienstbefugnisse vor. Obama will sich noch im Januar dazu äußern.

Die theoretische Grundlage für den Bau eines Supercomputers bildet die Quantenmechanik. Ein Quantencomputer würde aus komplett anderen Bauteilen bestehen als herkömmliche Rechner. Entscheidend dabei ist, dass ein Quantencomputer sehr viel schneller als ein herkömmlicher Rechner wäre und damit auch stärkste Verschlüsselungen brechen könnte, für die die Computerleistung derzeit schlicht nicht ausreicht. Denn um einen solchen Schlüssel zu knacken, muss ein Computer die beiden großen Primzahlen berechnen, aus deren Multiplikation er sich zusammensetzt. 2009 hätten Computer-Wissenschaftler fast zwei Jahre und Hunderte Rechner gebraucht, um die Primzahlen herauszufinden, aus denen sich ein 768 Bit großer Schlüssel zusammensetzte, berichtete die „Washington Post“. Die Experten hätten damals geschätzt, dass es etwa tausendmal so lang dauern dürfte, um einen 1024-Bit-Schlüssel zu knacken, wie er gewöhnlich für das Online-Banking verwendet wird.

Aaronson geht davon aus, dass der NSA der Bau eines Quantencomputers noch nicht gelungen ist. „Wenn die NSA in der Lage wäre, all diese starken Verschlüsselungen zu brechen – warum würde sie sich dann die Mühe machen, Software-Fehler zu finden oder Microsoft und Google zu zwingen, ihnen eine Hintertür in die Programme zu öffnen?“, sagte er der „Washington Post“. AFP/rtr

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