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NSA-Untersuchungsausschuss: Ronald Pofalla erklärt Vorwürfe gegen sich für beendet

Ronald Pofalla hatte was zu sagen und viel davon. Eine gute Dreiviertelstunde dauerte sein Eingangsstatement. Und am Ende hatten alle Unrecht - außer er selbst.

Von Anna Sauerbrey

Der NSA-Untersuchungsausschuss hörte am Donnerstagabend den Zeugen Ronald Pofalla (CDU) – Kanzleramtschef von 2009 bis Dezember 2013, heute Cheflobbyist der Deutschen Bahn AG. Im Zentrum standen zwei Fragen: Hat der Kanzleramtschef Ronald Pofalla im August 2013 die Öffentlichkeit getäuscht, als er mitten im Wahlkampf und mitten in der Aufregung über die Snowden-Enthüllungen versicherte, die USA hätten Deutschland ein „No-Spy-Abkommen“ angeboten – das nie zustande kam? Und war er im Bilde, dass die NSA die Zusammenarbeit mit dem BND nutzte, um den Deutschen Suchbegriffe für die Internetüberwachung unterzujubeln, die mit deutschen Interessen nicht vereinbar waren?

Zu diesen Fragen kam Pofalla dann auch, doch zuerst startete er einen Generalangriff, auf die Medien ebenso wie auf das Parlamentarische Kontrollgremium. Besonders den Spiegel bezichtigte er, Dokumente falsch interpretiert zu haben und so den Vorwurf der Massenüberwachung deutscher Bürger in die Welt gesetzt zu haben, der bis heute den Blick auf die Snowden-Enthüllunge präge. Das Parlamentarische Kontrollgremium bezichtigte er, ständig geheime Informationen an Journalisten durchzustechen.

In der Sache schloss sich Pofalla den Aussagen anderer Zeugen aus BND und Kanzleramt an. Vermerke über Probleme mit Selektoren habe er nie gezeichnet, sagte er knapp. Was das „No-Spy-Abkommen“ angeht, holte er aus. Den Vorwurf der Täuschung oder Lüge weise er zurück. Bei einem Treffen zwischen Vertretern des Kanzleramts und der Chefs von BND und Verfassungsschutz mit dem US-Geheimdienstbeauftragten James Clapper und dem damaligen NSA-Chef Keith Alexander hätten die Amerikaner ein „No-Spy-Abkommen“ angeboten. Pofalla hatte wörtlich gesagt, "die US-Seite" habe das Abkommen angeboten. Dass es dabei um eine Vereinbarung zwischen den Nachrichtendiensten, nicht um ein Abkommen zwischen zwei Staaten gegangen sei, sei ihm klar gewesen, das habe er auch nie anders behauptet.

Abgeordnete fanden Pofallas selbstgerechtes Auftreten unerträglich

Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt habe es Verhandlungen gegeben. Die Süddeutsche Zeitung hatte im April einen vertraulichen Email-Verkehr zwischen Obamas Sicherheitsberaterin Karen Donfried und ihrem deutschen Pendant im Kanzleramt, Heusgen, veröffentlicht: Demnach wünschten die Amerikaner kein „No-Spy-Abkommen“. Dass der NSA-Chef eine Vereinbarung zwischen den Diensten in Aussicht gestellt hatte, ist wohl richtig, alle deutschen Teilnehmer an jenem Treffen haben das bestätigt. Indem er den Begriff „No-Spy-Abkommen“ verwendete, suggerierte Pofalla allerdings, es handele sich um ein völkerrechtlich bindendes Abkommen zwischen Staaten, nicht um eine Vereinbarung zwischen Geheimdiensten.

Aus dem von der „SZ“ veröffentlichten Briefwechsel geht hervor, dass die Amerikaner sich immer wieder dagegen wehrten, dass die Deutschen den Begriff öffentlich verwendeten. Laut BND-Chef Gerhard Schindler hatte die Bundesregierung aber im Herbst ein völkerrechtliches Abkommen selbst zu ihrem Ziel erklärt – und so letztendlich die Verhandlungen zunichte gemacht.

Die Abgeordneten von SPD, Linken und Grünen rollten während Pofallas engagiert vorgetragenem Generalangriff mit den Augen, einige mussten lachen. Pofallas selbstgerechter Ton erschien manchem unterträglich. Pofalla schuf ein Gegenbild - die Wahrheit liegt in vielen Punkten wohl zwischen dem, was er sagte und der Darstellung, wie sie sich aus den ersten Veröffentlichungen ergibt. Beispiel No-Spy-Abkommen.

Pofalla fand Spott für seinen Auftritt im Sommer 2013 unfair

Auch Pofallas engagierte Zurückweisung des Vorwurfs der Massenausspähung der Deutschen trifft zwar in Teilen zu, wurde aber mit mehr Sicherheit vorgetragen als besteht. Richtig ist, dass der BND bislang glaubhaft machen konnte, aus den Daten, die er an die NSA weitergab, Deutsche so gut es ging herausgefiltert zu haben. Doch auch, dass die Filter nicht einwandfrei funktionierten und es wegen eines Restrisikos im Kanzleramt Bedenken in Bezug auf die Kooperation gab, hätte Pofalla wissen können. Auch ist bis heute unklar, ob die aufwändige Filterung auch auf die sogenannten Metadaten, also Verbindungsdaten ohne Inhalte, angewandt wurde. Auch hier hat Pofalla schon 2013 eine Eindeutigkeit suggeriert, wo es keine gibt.

Pofalla hat für seine Auftritt vom Sommer 2013 viel Spott einstecken müssen. Das findet er unfair. Von dem, was da noch kommen könnte, habe er ja nichts wissen können. Doch sein Auftritt bleibt unredlich. Nach Zeugenaussagen war zu diesem Zeitpunkt weder ein Abkommen in trockenen Tüchern, noch die Aufklärung der Vorwürfe im BND auch nur annähernd aufgeklärt. Gelogen hat er vielelicht nicht. Aber Pofalla hatte sich weit aus dem Fenster gelehnt. Sehr weit.

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