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Die Angeklagte Beate Zschäpe (2.v.l.) steht am Donnerstag im Gerichtssaal in München zwischen ihren Anwälten Anja Sturm und Wolfgang Heer.

© dpa

NSU-Prozess - 126. Prozesstag: Der Mann mit der Maske

Zu den Fundstücken, welche die Polizei im Wohnmobil der mutmaßlichen NSU-Mörder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sicherstellte, gehört auch eine Gruselmaske. Damit tarnte sich Mundlos bei mehreren Überfällen.

Von Frank Jansen

Die Maske wirkt gruselig und sollte es auch sein. Auf eine schwarze Sturmhaube hatte der Täter ein grimmiges, weißes Pappgesicht mit leeren Augen genäht. „Das war quasi ein Unikat“, sagt lakonisch ein Beamter des Bundeskriminalamts. Der Polizist zählt am Donnerstag im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München auf, auch anhand von Lichtbildern, was nach dem letzten Raubüberfall von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in deren Wohnmobil in Eisenach gefunden wurde. Die Maske ist da nur eine von teilweise bizarren Asservaten. Getragen hatte sie offenkundig Uwe Mundlos.

Die zwei Neonazis hatten am 4. November 2011 eine Filiale der Sparkasse in der thüringischen Stadt überfallen und 71 915 Euro erbeutet. Dann flohen sie auf Mountainbikes zu dem gemieteten Wohnmobil, in dem sie die Alarmfahndung der Polizei abwarten wollten. Ein Zeuge gab jedoch Beamten einen Tipp. Als sich die Polizei dem im Stadtteil Stregda abgestellten Fahrzeug näherten, gab Mundlos oder Böhnhardt einen Schuss ab, dann inszenierten sie offenbar ihr Ende. Nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamts erschoss Mundlos erst Böhnhardt, zündete dann das Wohnmobil an und tötete sich mit einer Pumpgun selbst. Es war für die beiden Neonazis der Schlussakt nach mutmaßlich zehn Morden, drei Sprengstoffanschlägen und insgesamt 15 Raubüberfällen.

Trotz des Feuers konnte die Polizei wichtige Asservate sicherstellen und einige nicht nur dem Raub in Eisenach zuordnen. So fand sich im Wohnmobil ein auffälliger silberner Revolver mit langem Lauf. Es handelte sich um eine umgebaute Schreckschusswaffe, die  mutmaßlich Böhnhardt bei dem Überfall auf die Sparkasse mit sich führte. Der BKA-Mann zeigt auf einem Bild aus dem Film einer Überwachungskamera des Geldinstituts den Räuber mit der silbernen Waffe – in der linken Hand. Einen identisch aussehenden Revolver hatte auch einer der beiden Männer dabei, die zwei Monate zuvor eine Zweigstelle der Sparkasse im thüringischen Arnstadt attackiert hatten. Die Waffe ist ein Indiz dafür, dass auch diese Tat von Böhnhardt und Mundlos verübt wurde.

Geldbündel mit Banderolen

Im angebrannten Wohnmobil in Eisenach entdeckte die Polizei zudem Geldbündel, noch eingeschweißt, mit Banderolen der Sparkasse Arnstadt. Außer der Beute vom Überfall in Eisenach hatten Mundlos und Böhnhardt weitere 40 000 Euro in dem Fahrzeug, versteckt in Schrankfächern und Dosen. Warum die Rechtsextremisten soviel Geld mit sich führten, auch noch mit verräterischen Banderolen aus einem früheren Überfall, bleibt offen. Genauso wie die Frage, warum die Dienstpistolen der zwei Polizisten im Wohnmobil lagen, auf die Mundlos und Böhnhardt im April 2007 in Heilbronn geschossen hatten. Bei dem Anschlag starb die Beamtin Michèle Kiesewetter, ihr Kollege Martin A. überlebte den Kopfschuss.

Die Sturmhaube, die mutmaßlich Böhnhardt bei dem Überfall in Eisenach getragen hatte, wurde später auch im Wohnmobil entdeckt. An ihr fand sich DNA des Neonazis. Aus den Bildern der Überwachungskamera und anhand der Asservate aus dem Fahrzeug lässt sich rekonstruieren, wie die beiden NSU-Täter vermutlich bei mehreren Überfällen ausgesehen haben. Mundlos trug die Maske mit dem Gruselgesicht, eine Kapuzenjacke, Fahrradhandschuhe, Jogginghose und Sneaker der Größe 46. In Arnstadt hatte Mundlos in jeder Hand eine Waffe.  „Das lässt auf Beidhändigkeit schließen“, sagt am Donnerstag der BKA-Mann, „das ist eher selten“.

Böhnhardt hatte in Eisenach sein Gesicht mit einer einfachen Sturmhaube getarnt. Ansonsten war die Bekleidung der von Mundlos ähnlich. Auf einem Bild der Überwachungskamera ist auch zu sehen, dass mutmaßlich Böhnhardt einen Rucksack trug. In ihm verstaute er offenkundig das geraubte Geld, für das die Neonazis eine größere, rotgelbe Plastiktüte einer Supermarktkette mitgebracht hatten. Die offenbar kaum beschädigte Tüte holte die Polizei am 4. November 2011 ebenfalls aus dem von der Feuerwehr gelöschten Wohnmobil.

Zwei hochwertige Mountainbikes am Tatort

Dass sich beiden Neonazis auf erschreckende Weise professionalisiert hatten, zeigt der Gebrauch teurer Mountainbikes. Im Wohnmobil seien zwei hochwertige Bikes gefunden worden, sagt der BKA-Beamte. Sie seien „ganz hervorragend geeignet für die Flucht über Stock und Stein“. Die Mountainbikes haben Mundlos und Böhnhardt womöglich auch bei Morden eingesetzt. Zeugen von mehreren Tatorten haben im Prozess geschildert, sie hätten zwei Männer auf Fahrrädern gesehen. Für einige Ermittler war das ein Grund, Rechtsextremisten als Täter auszuschließen. Er habe noch nie einen Neonazi auf einem Fahrrad gesehen, sagte im Februar 2013 ein pensionierter Polizist vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags. Der Beamte hatte zum Mord an dem Gemüsehändler Habil Kilic ermittelt. Mundlos und Böhnhardt hatten den Türken im August 2001 in seinem Geschäft erschossen.

Unter den Zuschauern im Prozess befindet sich am Donnerstag auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne). Die Verhandlung empfindet sie als „beklemmend“. Zumal sie von vielen Türken zu hören bekommen habe, „dieses Land will uns nicht“. Die Politik habe die Aufgabe, sagt Roth, den verängstigten Migranten das Gefühl zu vermitteln: „In deiner Heimat Deutschland bist du sicher.“  

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