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Der Angeklagte Ralf Wohlleben im Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München. Wohlleben hat angekündigt, nun auch in dem Prozess aussagen zu wollen.

© Andreas Gebert/dpa

NSU-Prozess: Angeklagter Wohlleben will sich allen Fragen stellen

Im NSU-Prozess will neben Beate Zschäpe auch der Angeklagte Ralf Wohlleben aussagen. Er müsse "einige Dinge klarstellen", sagt seine Anwältin.

Von Frank Jansen

Nun ist es halbwegs offiziell: Im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München wird der Angeklagte Ralf Wohlleben nach Angaben seiner Anwältin Nicole Schneiders aussagen. Wohlleben müsse „einige Dinge klarstellen, um den dreisten Lügen einiger Zeugen und zweier Mitangeklagter über seine Person seine Sicht der Geschehnisse entgegen zu stellen“, verkündete Schneiders jetzt über Facebook. Der Entschluss sei unabhängig von der Ankündigung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe gefallen, ihrerseits Angaben zur Sache zu machen. Zschäpe wird sich vermutlich kommende Woche einlassen. Dass Wohlleben ebenfalls reden will, hatte sich bereits Mitte November angedeutet.

Der ehemalige Vizevorsitzende der Thüringer NPD gilt als schwer belastet. Die Bundesanwaltschaft wirft Wohlleben vor, er habe maßgeblich an der Beschaffung der Pistole Ceska 83 mitgewirkt, mit der die NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft erschossen. Der mitangeklagte Carsten S. hatte in seinem Geständnis zu Beginn des Prozesses angegeben, Wohlleben habe ihm im Frühjahr 2000 gesagt, über wen die Waffe zu bekommen sei und das Geld für den Kauf gegeben. Die Pistole mit Schalldämpfer und Munition brachte Carsten S. dann nach Chemnitz zu Mundlos und Böhnhardt, die sich dort mit Zschäpe versteckt hielten.

Aus Sicht der Anklage sind Wohlleben und Carsten S. der Beihilfe zu neunfachem Mord schuldig. Wohlleben, der seit November 2011 in Untersuchungshaft sitzt, hat bislang hartnäckig geschwiegen. Dennoch gilt eine Verurteilung zu einer schweren Strafe als nahezu unausweichlich. Anträge der Verteidiger auf Entlassung aus der Untersuchungshaft lehnte das Oberlandesgericht ab.

Die Anwälte beschwerten sich beim Bundesgerichtshof, doch auch die Richter in Karlsruhe bescheinigten Wohlleben im Februar dieses Jahres einen weiterhin dringenden Tatverdacht. Die im Fall einer Verurteilung zu erwartende Strafe werde „auch eine Untersuchungshaft von erheblicher Dauer nicht nur unwesentlich übersteigen“, heißt es im Beschluss des BGH. Somit muss Wohlleben sogar befürchten, dass nach einem Urteil der Münchner Richter auch ein Antrag auf Revision in Karlsruhe aussichtslos wäre.

Dass Wohlleben nun seine Situation verbessern könnte, wenn er aussagt und womöglich Mitangeklagte belastet, ist wenig wahrscheinlich. Carsten S. hat in seinem Geständnis seine Täterschaft bereits umfassend geschildert. Ein weiterer Angeklagter, Holger G., hat zudem in seinen vom Blatt verlesenen Angaben von einer weiteren Waffenübergabe an den NSU berichtet, die ebenfalls Wohlleben eingefädelt haben soll.

In ihrem Facebook-Eintrag gibt Wohllebens Anwältin Schneiders auch zu erkennen, dass ihr Mandant nach wie vor zur rechtsextremen Szene zählt. Er sei „seinen Idealen und politischen Überzeugungen treu geblieben und wird dies auch in Zukunft bleiben“, schrieb Schneiders, die selbst einst der NPD angehört hatte. Die Verteidigerin bezeichnet nun Wohllebens Aussage als „Akt der Notwehr gegen Lügen und Unterstellungen“. Immerhin will der Angeklagte selbst aussagen und die Fragen aller Verfahrensbeteiligten beantworten. Zschäpes neuer Verteidiger Mathias Grasel hingegen hatte angekündigt, er werde für seine Mandantin die Einlassung vortragen. Anschließend werde sie auch nur Fragen des 6. Strafsenats beantworten, nicht aber der anderen Prozessbeteiligten. Offen bleibt zudem, ob Zschäpe selbst sprechen wird oder Grasel und der ebenfalls neu in das Verfahren eingestiegene Münchner Anwalt Hermann Borchert auf alle Fragen die Antworten im Namen der Angeklagten präsentieren werden.

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