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Der Angeklagte Ralf Wohlleben am Dienstag vor Gericht in München.

© AFP

NSU-Prozess: Ralf Wohlleben: der starke Arm des NSU nach draußen

Letzter Tag vor der Sommerpause im NSU-Prozess. Der Angeklagte Ralf Wohlleben soll die Beschaffung von Waffen organisiert haben. Dieser hält Händchen und wird von Neonazis im Saal begrüßt.

Von Frank Jansen

Ralf Wohlleben bekommt reichlich Trost. Seine Ehefrau Jacqueline sitzt am Dienstag im Saal A 101 des Oberlandesgerichts München neben ihm, die beiden halten unentwegt Händchen. Auf der Zuschauerempore steht ein Trupp Neonazis und grüßt den Angeklagten. Zuspruch hat Wohlleben am letzten Verhandlungstag im NSU-Prozess vor der Sommerpause auch bitter nötig. Die Bundesanwaltschaft attackiert in ihrem Plädoyer mit vielen Argumenten das Bild, das der rechtsextreme Angeklagte im Prozess von sich gezeichnet hat. Statt eines eher friedfertigen Kameraden erscheint Wohlleben, Ex-Vizechef der Thüringer NPD, da als Bevollmächtigter der abgetauchten Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, zumindest bis 2001. Als starker Arm der Terrorzelle NSU außerhalb des Untergrunds.

Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten bezeichnet Wohlleben als „Mastermind mit überlegenem Sonderwissen“. In dieser Funktion habe der Angeklagte bestimmt, wer mit den Untergetauchten konspirativ kommunizieren konnte und wer die Aufträge zu erfüllen hatte, die Böhnhardt und Mundlos telefonisch mitteilten. Weingarten nennt mehrere Personen, die Wohlleben von Jena aus als Handlanger eingesetzt haben soll. Um der Terrorzelle die gewünschten Utensilien zukommen zu lassen, darunter womöglich bis zu drei Waffen.

2500 D-Mark für die Ceska 83

Der Mitangeklagte Carsten S. soll im Frühjahr 2000 auf Anweisung von Wohlleben in Jena die Pistole Ceska 83 besorgt und nach Chemnitz zu Böhnhardt und Mundlos gebracht haben. Mit der Waffe erschossen die beiden Neonazis neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft. Die Bundesanwaltschaft wirft Wohlleben und Carsten S. vor, Beihilfe zu neunfachem Mord geleistet zu haben.

Die 2500 D-Mark, die der Verkäufer der Waffe haben wollte, hat Wohlleben laut Bundesanwaltschaft Carsten S. in die Hand gegeben. Das Geld stammte, sagt Weingarten, aus einem Betrag von 10.000 D-Mark, die der NSU aus der Beute der ersten Raubüberfälle entnommen und Wohlleben zur Aufbewahrung anvertraut habe. Bis zum Frühjahr 2000 hatte die Terrorzelle bereits mehr als 98.000 D-Mark zusammengerafft.

Was Wohlleben über die 2500 D-Mark für die Ceska 83 erzählt hat, hält Weingarten für widerlegt. Der Angeklagte gab im Prozess an, er gehe davon aus, das Geld sei von Tino Brandt gekommen. Brandt war Ende der 1990er Jahre Anführer der Neonazi Vereinigung „Thüringer Heimatschutz“ und gleichzeitig V-Mann des Verfassungsschutzes im Freistaaat. „Die ganze Geld-bei-Brandt-Geschichte von Wohlleben dient nur dem Zweck, Brandt zu belasten und damit auch dem Verfassungsschutz die Beschaffung der Waffe in die Schuhe zu schieben“, sagt der Oberstaatsanwalt. Belege für Wohllebens Angaben gebe es keine.

Einbruch in Zschäpes leerstehende Wohnung

Im Frühjahr 2001 soll Wohlleben eine weitere Waffe dem Mitangeklagten Holger G. überreicht haben. Holger G. brachte sie, das hat er gestanden, nach Zwickau, wohin Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe umgezogen waren.

Weingarten schildert zudem eine weitere mögliche Waffenübergabe. Wohlleben soll einem seiner Handlanger in Jena einen Beutel gegeben haben. Der Mann übergab ihn einer anderen, bis heute unbekannten Person, mutmaßlich für den NSU. Nach dem Ende der Terrorzelle sagte der ehemalige Kurier der Polizei, er habe vermutet, im Beutel sei eine Waffe. Danach habe er gegenüber Wohlleben weitere Transporte verweigert.

Zuvor soll der Kurier bereits im Auftrag von Wohlleben Geld zum NSU nach Zwickau gebracht haben. Und er soll an einem Einbruch in Zschäpes leerstehende Wohnung in Jena beteiligt gewesen sein, um auf Order Wohllebens die vom NSU gewünschten Unterlagen herauszuholen. Weingarten nennt den Kurier auch als eine der von Wohlleben ausgesuchten Personen, die mit Böhnhardt und Mundlos von einer Telefonzelle aus konspirativ sprachen. Der Angeklagte Carsten S. hat laut seinem Geständnis ebenfalls im Auftrag Wohllebens mit den untergetauchten Männern telefonisch Kontakt gehalten.

Das Strafmaß, das die Bundesanwaltschaft für Wohlleben wie auch für Zschäpe, Carsten S., Holger G. und den schweigenden Mitangeklagten André E. für notwendig hält, wird erst nach der Sommerpause zu hören sein. Am 31. August soll die Bundesanwaltschaft ihr Plädoyer fortsetzen. Anschließend folgen die Schlussvorträge von mindestens 50 Nebenklage-Anwälten. Vermutlich im Spätherbst sind die Verteidiger der fünf Angeklagten an der Reihe. Ob der Vorsitzende Richter Manfred Götzl noch in diesem Jahr das Urteil verkünden kann, ist kaum vorhersehbar.

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