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Politik: Nun regiert mal schön (Kommentar)

Die Machtprobe blieb aus. Nach siebentägigen Anhörungen unter der Drohung, einzelnen Kandidaten das Misstrauen auszusprechen, und der Gegendrohung Romano Prodis, zurückzutreten, gab das Parlament der Kommission einen ansehnlichen Vertrauensvorschuss.

Die Machtprobe blieb aus. Nach siebentägigen Anhörungen unter der Drohung, einzelnen Kandidaten das Misstrauen auszusprechen, und der Gegendrohung Romano Prodis, zurückzutreten, gab das Parlament der Kommission einen ansehnlichen Vertrauensvorschuss. Ist das nun der Neuanfang nach dem unrühmlichen Ende der Mannschaft von Jacques Santer? Ein Neuanfang mit vier Alt-Kommissaren und zwei neuen Wackelkandidaten: dem Belgier Busquin und der Spanierin de Loyola?

Doch das ist kein fauler Kompromiss, sondern Ergebnis der weisen Einsicht, dass Kommission und Parlament mit einem offenen Machtkampf nur ihren jüngsten Zugewinn an Einfluss wieder aufs Spiel gesetzt hätten. Die Abgeordneten sind mächtiger als je zuvor; und Prodi darf sich samt seiner Kommission stärker gestützt und legitimiert fühlen als alle Vorgänger. Der Machtgewinn verdankt sich auch dem Amsterdamer Vertrag, aber er geht weit darüber hinaus. Nach der Theorie kann das Parlament nur die gesamte Kommission akzeptieren oder ablehen, nicht aber einzelne Mitglieder "herausschießen" - und kann auch Prodi Fehlverhalten nur bestrafen, indem er dem oder der Betroffenen Aufgaben entzieht. Tatsächlich aber ist das Parlament und ist Prodi so gestärkt, dass jedes Kommissionsmitglied unterschreiben musste, einer begründeten Rücktrittsforderung zu folgen.

Soll Europa vorankommen, braucht das Parlament eine unbeschädigte Kommission - und braucht die Kommission die Unterstützung der Abgeordneten gegen die nationalen Regierungen. Die Herausforderungen der nächsten Jahren sind übergroß. Erstens, die EU-Verwaltung so zu reformieren, dass effektive Kontrolle garantiert ist. Zweitens, die Erweiterung gegen alle Verzögerungsversuche voranzutreiben und bereits beim Gipfel in Helsinki im Dezember klare Entscheidungen zu erreichen: wann die Länder der ersten Gruppe mit Aufnahme rechnen können und wann die der zweiten Gruppe mit Verhandlungen. Drittens schließlich, die Entscheidungsmechanismen so zu ändern, dass auch eine EU mit mehr als 20 Mitgliedern handlungsfähig bleibt. Da dürfte der hinhaltende Widerstand der 15 Altmitglieder am größten sein. Sie müssen Mehrheitsentscheidungen akzeptieren, also das Vetorecht aufgeben, und darauf verzichten, immer einen Kommissar zu stellen. Erfolgsaussichten - das wussten die Abgeordneten, das weiß Prodi - haben sie nur gemeinsam.

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