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Politik: Nur auf Umwegen

Vor etwa einem Jahr hat die Geschichte schon einmal für rot-grüne Furore gesorgt. Jetzt taucht sie wieder auf: Die Bundesregierung, vermeldet die "Bild"-Zeitung, habe im Bundessicherheitsrat die Lieferung von 400 Panzer-Haubitzen an die Türkei genehmigt.

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Vor etwa einem Jahr hat die Geschichte schon einmal für rot-grüne Furore gesorgt. Jetzt taucht sie wieder auf: Die Bundesregierung, vermeldet die "Bild"-Zeitung, habe im Bundessicherheitsrat die Lieferung von 400 Panzer-Haubitzen an die Türkei genehmigt. Die fahrbaren Schießgeräte seien nach Befürchtungen von - nicht näher genannten - Sicherheitsexperten geeignet, gegen die Kurden in der Südosttürkei zum Einsatz zu kommen. Offiziell hat die Regierung jede Stellungnahme abgelehnt. Die Beschlüsse oder Nicht-Beschlüsse des Bundessicherheitsrats seien geheim, darum äußere sich die Regierung öffentlich dazu grundsätzlich nicht, sagte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye am Freitag. Außenamts-Staatsminister Ludger Volmer (Grüne), wie Heye an die Geheimhaltungspflicht gebunden, stufte den Bericht unter "Gerüchte" ein. Dafür war er freigiebig mit Mutmaßungen, warum die Sache jetzt aufkommt: Da solle ja wohl im Vorfeld des Grünen-Parteitags am Wochenende in Rostock gezündelt werden.

Es war schließlich der SPD-Abgeordnete Manfred Opel, der den Bericht offen falsch nannte: Die Regierung habe im Bundessicherheitsrat nicht über die Genehmigung entschieden, erklärte der Verteidigungspolitiker. Das scheint zu stimmen. Gleichwohl gibt es Hinweise darauf, dass das deutsch-südkoreanisch-türkische Dreiecksgeschäft mit amtlichem Segen auf dem Weg sein könnte. Nach Darstellung aus der Regierung hatte der Bundessicherheitsrat vor etwa einem Jahr die Freigabe der Lizenz-Produktion abgelehnt. Seither hat sich das Gremium offenbar nicht mehr mit der Frage befasst. Dafür aber ein anderer: der Kanzler. Gerhard Schröder habe, so ist zu hören, den Fall zur Chefsache gemacht. Denkbar, dass er bei seinem Korea-Besuch im Sommer der Regierung in Seoul grünes Licht gegeben habe.

Das Rüstungsgeschäft hat eine lange und für beide Seiten unerfreuliche Geschichte. Es geht, zunächst einmal, gar nicht um die Lieferung kompletter Panzerhaubitzen. Bei dem Geschäft beschränkt sich der deutsche Anteil auf die Lieferung einiger Motorenteile. Die türkischen Generäle hatten für den Bau der Panzerhaubitzen schon im Sommer einen Vertrag mit der koreanischen Firma Samsung Techwin abgeschlossen. Das Projekt, das in der Türkei unter dem Namen "Firtina" (Sturm) läuft, umfasst die Herstellung von bis zu 500 Haubitzen für rund eine Milliarde Dollar in den kommenden zehn Jahren. In einem ersten Schritt sollen bis zum Jahr 2003 etwa 20 Haubitzen gebaut werden. Für die ohnehin selten gewordenen Gefechte zwischen der türkischen Armee und den Kurdenrebellen von der PKK sind die schweren Haubitzen nach Meinung von Experten nicht geeignet.

Die türkische Armee begann 1997, sich nach einem modernen fahrbaren Artillerie-System umzusehen, das ihre veraltete Ausrüstung ersetzen soll. Favorit war zunächst die so genannte Panzerhaubitze 2000 der deutschen Firmen Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall; Kraus-Maffei Wegmann ist auch der Hersteller des Kampfpanzers Leopard-2, an dem die türkische Armee ebenfalls interessiert ist.

Der Kauf der Panzerhaubitzen wurde für die Türkei hinfällig, nachdem die Bundesregierung deutlich machte, dass nicht mit einer Ausfuhrgenehmigung zu rechnen sei. Deshalb entschlossen sich die Generäle in Ankara, die Haubitze in der Türkei herzustellen. Ankara vereinbarte mit Samsung Techwin die Lieferung von Teilen, darunter das Rohr und den mit deutscher Lizenz in Korea hergestellten Motor. Einige Teile des Antriebssystems kommen direkt aus Deutschland. Diese Komponenten und das Fahrwerk sollen in der Türkei montiert werden. Das "Firtina"-System wurde im Mai vorgestellt; ein Prototyp soll von der Armee inzwischen erfolgreich getestet geworden sein. Mit der Herstellung soll im kommenden Jahr begonnen werden.

Höchst geheim

Der Bundessicherheitsrat ist einer von fünf Ausschüssen des Bundeskabinetts. Unter Leitung des Kanzlers tagt er in unregelmäßigen Abständen geheim und koordiniert die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Bundesregierung. Er ist auch für die endgültige Genehmigung von Rüstungsexporten deutscher Firmen zuständig.

Derzeit gehören ihm neun Mitglieder an: Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Kanzleramts-Chef Frank-Walter Steinmeier (SPD), Außenminister Joschka Fischer (Grüne), Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), Finanzminister Hans Eichel (SPD), Innenminister Otto Schily (SPD), Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) und die Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD). Grundlage der Arbeit des Sicherheitsrates ist ein Kabinettsbeschluss vom Oktober 1955. In den Jahren bis 1969 hieß das Gremium Bundesverteidigungsrat. Über den Inhalt der Beratungen haben die Mitglieder strengstes Stillschweigen zu bewahren.

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