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Handel aus Not. Frauen vor einem Warenhaus in Minsk bei dem Versuch, sich durch den Verkauf von Kleidung ein kleines Zubrot zu verdienen. Foto: Reuters

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Politik: Nur der Wodka bleibt billig

Populistische Lohnerhöhungen treiben das Land an den Rand des Ruins

„Das Volk leidet und keiner weiß, wie es weitergeht“, sagt Oksana. Seit Jahren verkauft die Mittvierzigerin auf dem zentralen Markt der weißrussischen Stadt Grodno Einrichtungswaren und Nippes. Doch das Geschäft geht immer schlechter. Und Sonderaufträge kann Oksana mangels Dollars kaum mehr ausführen. „Seit zwei Wochen stehe ich an der Wechselstelle in der Schlange“, klagt sie. Oksana bräuchte nur 300 Dollar, die dafür nötigen 1,5 Millionen weißrussische Rubel hat sie locker auf der hohen Kante. Doch die Wechselstelle hat fast keine Devisen.

Seit der Autokrat Aleksander Lukaschenko seine dritte Wiederwahl geschafft hat, ist das Land in eine schlimme Wirtschaftskrise geschlittert. Am Anfang standen massive Erhöhungen der Löhne und Sozialausgaben. Lukaschenko warf dafür seine Notenpresse an, der ohnehin schwache Rubel begann einzubrechen. In den Wechselstellen mangelte es an Devisen. Ende Mai wertete die Nationalbank die Landeswährung zum Dollar auf einen Schlag um mehr als die Hälfte ab. Hamsterkäufe waren die Folge; lange vergessene Bilder leerer Ladengestelle machten die Runde. Die Regierung verhandelt inzwischen mit dem Internationalen Währungsfonds über einen Stützkredit von bis zu acht Milliarden Dollar. Doch die Bereitschaft, Lukaschenko und seiner verstaatlichten Wirtschaft nach den brutal niedergeschlagenen Nachwahlprotesten zu helfen, ist nicht besonders groß.

Inzwischen sind die Ladengestelle wieder prall gefüllt. Im Einkaufszentrum „Almi“ an der Ausfahrtstraße Richtung Minsk, der weißrussischen Hauptstadt, gibt es alles, was das Herz begehrt. Viele Preise haben sich allerdings verdoppelt, vor allem für Importprodukte. Doch selbst die einheimische Butter ist 40 Prozent teurer geworden, ebenso das Speiseöl. Nur der Wodkapreis verzeichnet mit 13 Prozent einen moderaten Anstieg. Bis Ende des Jahres soll die Inflationsrate selbst nach offiziellen Angaben bis zu 39 Prozent erreichen. Am Dienstag entließ Lukaschenko deswegen kurzerhand seinen Zentralbankchef.

Die Preissteigerungen haben die Weißrussen verunsichert. Auf dem Markt in Grodno ist die Hälfte der Stände leer. „Wer noch Importware besitzt, hortet sie“, erklärt ein Händler, „denn wer weiß, was morgen der Rubel noch wert ist.“ Vor dem Markt floriert dagegen der illegale Straßenhandel. Die Polizei ist allgegenwärtig. Sie prüft Ausweise, doch im Unterschied zu früher werden fliegende Händler nun selten des Platzes verwiesen. „Lukaschenko hat dies alles genau so geplant“, sagt ein älterer Marktbesucher, „doch wieso unternimmt er Schritte, die das Volk gegen ihn aufbringen?“

Lukaschenko ließ inzwischen die Preise für ein paar Grundnahrungsmittel einfrieren. Ausfuhrbeschränkungen haben zu Protesten am nahen Grenzübergang Bruzgi geführt. Statt fünfmal dürfen die Benzinschmuggler nur noch einmal alle fünf Tage nach Polen fahren. Die Polizei setzte Tränengas ein. Der Protest war „ein einmaliger Aufschrei“, sagt der lokale Menschenrechtsaktivist Yurgel Raman resigniert. „Die paar Schmuggler werden der Opposition nicht helfen.“

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