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Politik: Nur ein Hindernis weniger - Auch die USA wollen jetzt mehr Staaten im UN-Sicherheitsrat (Kommentar)

Wenn einer etwas zu sehr will, bleibt ihm die Erfüllung seiner Wünsche oft versagt; wer unaufgeregt abwartet, dem wird sie irgendwann wie ein Geschenk zuteil. Klaus Kinkel wollte ihn unbedingt: den ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Wenn einer etwas zu sehr will, bleibt ihm die Erfüllung seiner Wünsche oft versagt; wer unaufgeregt abwartet, dem wird sie irgendwann wie ein Geschenk zuteil. Klaus Kinkel wollte ihn unbedingt: den ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Weil dem vereinten Deutschland, dem politischen und wirtschaftlichen Schwergewicht Europas, dieser Einfluß zustehe. Der grüne Außenminister wollte nicht drängeln - und gelangt womöglich an Kinkels Ziel.

Eine der Hauptbarrieren für eine grundlegende Reform des Sicherheitsrates ist unverhofft beseitigt. Die USA geben ihren Widerstand gegen seine Vergrößerung auf. Eine Reform ist überfällig. Der Sicherheitsrat ist die einzige Institution, die Zwangsmaßnahmen gegen Staaten verhängen darf, um Kriege zu beenden - von Wirtschaftssanktionen bis zu Militär-Interventionen. Doch das Völkerrecht haben die UN nur selten durchsetzen können. In Bosnien waren die UN-Blauhelme hilflos, im Kosovo intervenierte die Nato schließlich ohne Erlaubnis des Sicherheitsrats, weil der sich blockiert hatte. In Konflikt mit der überparteilichen Aufgabe des Sicherheitsrats geraten immer wieder die nationalen Interessen seiner ständigen Mitglieder.

Die UN müssen handlungsfähig werden. Doch der jüngste Vorstoß der USA dient weder diesem Ziel noch ist er selbstlos. Priorität hat der Wunsch, die US-Beiträge zu senken. Dafür müssen die USA den Partnern etwas anbieten. Mehr Macht wollen sie den UN nicht einräumen. Aber wer sagt denn, dass die Vergrößerung des Sicherheitsrats dazu führt? Mehr Staaten mit Vetorecht führen womöglich zu mehr Blockade.

Ändern muss sich das Gremium gleichwohl, weil es die Welt von 1945 abbildet. Einen ständigen Sitz haben die vier Siegermächte USA, Russland, Frankreich und Großbritannien - sowie China. Die zehn übrigen Sitze teilen sich in zweijähriger Rotation die übrigen Länder. Um dem Sicherheitsrat mehr Autorität zu verschaffen, müssen die Staaten Mitglied sein, die heute dank ihres Potenzials die Wächterfunktion übernehmen können. Japan und Deutschland gehören dazu. Zugleich sollten alle Kontinente vertreten sein. Die Favoriten sind Brasilien für Südamerika und Nigeria für Afrika. Aber auch Indien erhebt Anspruch auf einen ständigen Sitz, es ist eine Atommacht und hat mehr Einwohner als ganz Afrika zusammen.

Gegen Japan und Deutschland erhebt sich kaum Einspruch, jedoch gegen andere Kandidaten. Mit Brasilien konkurriert Argentinien, mit Indien Pakistan. Umstritten ist auch Nigeria wegen seines autoritären Regimes. So bleiben noch viele Hindernisse für die große Reform - auch wenn die USA den Weg freigeben. Womöglich reift in der Wartezeit in Deutschland die Erkenntnis: Gegen einen ständigen Sitz spricht nichts, aber er ist auch nicht der Schlüssel zur Handlungsfähigkeit der UN. Die kann Berlin mit seinem Einfluss auf vielen Wegen befördern.

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