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Politik: Nur Härte zählt

Wahlkampf auf Amerikanisch: Die oppositionellen Demokraten schwenken auf ein Ja zum Irak-Krieg ein

Von Malte Lehming, Washington

Noch 49 Tage, noch 48 Tage, noch 47 Tage. Jeden Abend werden die amerikanischen Fernsehzuschauer daran erinnert, dass in ihrem Land demnächst gewählt wird. Um genau zu sein: am 5. November. An diesem Tag wird entschieden, wie sich der künftige Kongress zusammensetzt. Das Rennen ist knapp, Vorhersagen sind kaum möglich. Profitieren die Republikaner vom Prestige ihres Präsidenten? Oder gelingt es den oppositionellen Demokraten, nach dem Senat auch das Repräsentantenhaus zu erobern? Die Kongresswahlen sind mehr als ein Stimmungstest. Ab dem 5. November weiß die Nation, welchen politischen Kurs George W. Bush in den nächsten zwei Jahren bis zur Präsidentschaftswahl einschlagen wird.

Für die Demokraten standen die Wahlkampfthemen eigentlich fest. Da waren die Unternehmensskandale, Stichwort Enron, die schleppende Wirtschaft, die steigende Arbeitslosigkeit, die Gesundheitsreform. Doch seit einigen Wochen dringen sie damit nicht mehr durch. Das Thema Irak hat alles andere verdrängt. Und der Ton wird zunehmend gereizter. „Pearce ist hart gegenüber dem Irak, Smith dagegen ist ein Weichling“, heißt es auf Plakaten etwa im Bundesstaat New Mexiko. Steve Pearce ist der Kandidat der Republikaner, John Arthur Smith sein Rivale von den Demokraten. Der Vorwurf, ein Weichling zu sein, wiegt in den USA ungefähr so schwer wie in Deutschland der Titel „Kriegstreiber“.

Dabei ist Smith gar nicht grundsätzlich gegen einen Krieg. Er möchte bloß gerne, dass Bush etwas mehr internationale Unterstützung für seinen Plan erhält, Saddam Hussein aus dem Amt zu jagen. Aber das, schimpft Smiths Rivale, „ist doch bloß eine Ausrede, eine andere Art, Nein zu sagen“. In den Umfragen liegen Pearce und Smith derzeit gleichauf.

Immer mehr Republikaner entdecken, wie einfach sich mit dem Thema Irak auf Stimmenfang gehen lässt. Als zusätzlichen Trumpf können sie mit der Geschichte aufwarten. Als Bush Senior vor elf Jahren zum ersten Golfkrieg blies, versagten ihm 47 demokratische Senatoren die Gefolgschaft. Viele von ihnen bereuen inzwischen ihr damaliges Abstimmungsverhalten. Doch der Groll der Republikaner währt lange. Am hitzigsten ist daher das Duell im Bundesstaat South Dakota. Auch dort liegen beide Kandidaten – Tim Johnson von den Demokraten und John Tune von den Republikanern – Kopf an Kopf.

Johnson indes eignet sich für die Attacken der Republikaner besonders gut. Denn er ist das politische Ziehkind von Tom Daschle, dem Führer der Demokraten im Senat. Auf Johnson zielen, heißt Daschle treffen, lautet die Devise. Und Johnson hat schließlich auch gegen den ersten Golfkrieg gestimmt. Das wird ihm nun genüsslich vorgehalten. Der Angegriffene wehrt sich verzweifelt. Um jeden Verdacht von sich zu weisen, erneut ein „Weichling“ zu sein, hat er dem Präsidenten einen Brief geschrieben. Darin versichert er Bush, es sei „in unserem nationalen Sicherheitsinteresse, im Irak einen Regimewechsel herbeizuführen“.

Der Druck wirkt. Weil sie Angst vor dem Irak-Thema haben, schwenken die Demokraten immer deutlicher auf die harte Linie des Präsidenten ein. Sich offen gegen einen Krieg auszusprechen, wäre in der aufgeladenen Stimmung gleichbedeutend mit Vaterlandsverrat.

Am Mittwoch hat Bush mit Führern der vier Fraktionen der beiden Kammern des Kongresses gefrühstückt. Anschließend war klar: Der Kongress wird mit großer Mehrheit eine Resolution verabschieden, die den Präsidenten zum Kriegführen autorisiert.

„Wir alle sollten begreifen, dass der Einsatz des Militärs zwar nur ein letztes Mittel sein darf“, sagte Daschle im Anschluss an das Frühstück, „aber dieses Mittel sollte auch wirklich verfügbar sein“. Gerade Daschle hatte sich in den vergangenen Wochen immer wieder kritisch über die Irak-Politik der Regierung geäußert. Jetzt scheint auch er sich dem Aufruf zur nationalen Entschlossenheit nicht mehr entziehen zu können.

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