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Politik: Nur kein Risiko im Bundestag

Zweidrittelmehrheit für ESM angestrebt.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Die Bundesregierung will neben dem europäischen Fiskalpakt jetzt auch den Euro-Rettungsschirm ESM mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament verabschieden lassen. Das stellt einen beträchtlichen Meinungswandel dar, hatte die gleiche Regierung doch erst am Freitag noch einmal bekräftigt, aus ihrer Sicht sei diese Mehrheit für den ESM nicht nötig. Streng rechtlich, macht Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag deutlich, habe sich daran auch nichts geändert. Trotzdem will man am nächsten Freitag im Bundestag wie im Bundesrat auf ein Zwei-Drittel-Ja hinwirken, als „besondere Vorsichtsmaßnahme“, wie Seibert sagt: „Für die Bundesregierung ist der ESM ein Vertrag von so großer Bedeutung, dass sie jedwedem Risiko aus dem Weg gehen will.“

Das Risiko lauert in Karlsruhe. Die Verfassungsklagen gegen den Fiskalpakt wie gegen den ESM sind bekanntlich fertig geschrieben, ihretwegen verzögert sich schon das Inkrafttreten des Rettungsschirms. Ein Argumentationsstrang der Kläger spricht der Regierung das Recht ab, solch rechtlich und finanziell weit reichende Abmachungen wie den Fiskalpakt und den ESM überhaupt zu treffen. Beim Fiskalpakt sind die Regierungsjuristen selbst schon zu dem Schluss gekommen, dass er einer Mehrheit bedarf, mit der genauso gut gleich die Verfassung geändert werden könnte.

Für den ESM galt das bisher nicht als dringend nötig. Doch Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte am Wochenende darauf aufmerksam gemacht, dass das jüngste Urteil aus Karlsruhe zur Parlamentsbeteiligung Fingerzeige darauf enthält, dass die Verfassungsrichter die Grenzen der vom Grundgesetz noch gedeckten Souveränitätsverzichte bedrohlich nahe sehen. Lammert – nicht von Haus aus Jurist, aber durch Amt und Erfahrung inzwischen einschlägig vorbelastet – hatte deshalb nahegelegt, „mindestens zweckmäßigerweise“ auch beim ESM für eine Zweidrittelmehrheit zu sorgen.

Der Rettungsschirm wäre dann ebenfalls mit der größtmöglichen demokratischen Legitimation versehen, die es unterhalb einer förmlichen Verfassungsänderung geben kann. Das wiederum könnte es dem Gericht erleichtern, salopp gesprochen, im Zweifel ein Auge zuzudrücken. Zugleich bedeutet die Zweidrittelmehrheit für die Regierung keinen Aufwand: Da Opposition und Länder beim Fiskalpakt mitwirken, gibt es für sie keinen Grund, sich beim ESM zu verweigern. Robert Birnbaum

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