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Am Zaun, der Ground Zero in New York umgibt, hängen Zeitungsartikel über den Tod von Osama bin Laden.

© AFP

Nach Bin-Laden-Tod: Nur Kirchen kritisieren Jubel über Tötung

Nach der Tötung von Topterrorist Bin Laden reist US-Präsident Obama nach New York zum Ground Zero. Der UN-Sicherheitsrat begrüßt den Tod des Al-Qaida-Chefs. Evangelische und katholische Kirche hingegen üben offene Kritik.

US-Präsident Barack Obama will am Donnerstag Ground Zero in New York besuchen - vier Tage nach der Tötung von Al-Qaida-Chef Osama bin Laden durch ein amerikanisches Sonderkommando in Pakistan. Dort, wo am 11. September 2001 Terroristen zwei Flugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Center steuerten, will sich der Präsident mit Angehörigen der Opfer treffen, berichteten US-Medien am Montagabend (Ortszeit) unter Berufung auf einen Sprecher des Weißen Hauses.

Bin Laden gilt als Hauptdrahtzieher der Anschläge, bei denen allein in New York etwa 2600 Menschen ums Leben gekommen waren. Bei der Bekanntgabe des Todes Bin Ladens in der Nacht zum Montag hatte Obama die Hoffnung geäußert, dass die Familien der Opfer nun zumindest etwas Frieden finden könnten.

UN-Sicherheitsrat gibt seltene Erklärung ab

Der UN-Sicherheitsrat begrüßte den Tod des Terroristenführers Osama bin Laden ausdrücklich. Die 15 Mitglieder des höchsten Gremiums der Vereinten Nationen verabschiedeten am Montagabend in Anwesenheit von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon eine präsidentielle Erklärung, in der die Mitglieder ihre Entschlossenheit bekräftigten, terroristische Organisationen und deren Akteure mit voller Strenge zur Rechenschaft zu ziehen.

Eine solche Erklärung des Sicherheitsrates zum Tod eines Menschen ist äußert selten. Ban hatte vor dem Treffen des Sicherheitsrates den Tod von Bin Laden als „Wendepunkt“ im gemeinsamen Kampf gegen den internationalen Terrorismus bezeichnet.

Kritik von Kirchen und Theologen

Die öffentlich zur Schau gestellte Freude über den Tod Osama bin Ladens stößt hingegen bei Theologen und Ethikern auf Kritik. Auch der Vatikan mahnt zur Zurückhaltung. Papst-Sprecher Federico Lombardi sagte am Montag in Rom: „Der Tod eines Menschen ist für einen Christen niemals Grund zur Freude.“ Das gelte auch für bin Laden.

Ähnlich äußerte sich der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms. "Ich würde [die Tötung bin Ladens] nicht mal als Erfolg bezeichnen", sagte der leitende Bremer Theologe am Montag in einem epd-Gespräch. Es sei immer richtig gewesen, Bin Laden zur Rechenschaft ziehen zu wollen, betonte Brahms. Dies könne aber nur mit rechtsstaatlichen Mitteln geschehen.

Auch Michael Bongardt von der Freien Universität Berlin hält die offene Freude über Osamas Tod für problematisch. „Natürlich ist es verständlich, wenn man spontan ein Gefühl der Erleichterung und der Befreiung empfindet. Aber dann sollte man sich fragen, ob dieses Gefühl angemessen ist“, sagte der Ethikprofessor.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hält sich mit Kritik an der Tötung bin Ladens vorerst zurück. "Sein Tod setzt seiner schrecklichen Ära als Organisator und Rädelsführer derartiger krimineller Handlungen ein Ende," sagte Claudio Cordone, Direktor der Regionalprogramme und ihrer Ermittlungsarbeit. Er kündigte eigene Nachforschungen zu den Umständen an.

US-Sender sprechen von "Kill-Mission"

Bei einer gezielten Kommandoaktion hatten US-Elitesoldaten in der Nacht zu Montag den Al-Qaida-Chef in Pakistan erschossen. Nach Worten von US-Präsident Barack Obama starb der 54-jährige Bin Laden nach einem Schusswechsel mit der US-Spezialeinheit. Die Kommandoaktion hätte nach Angaben des Weißen Hauses nicht mit dem Tod des Terroristenchefs enden müssen.

Man sei auch darauf vorbereitet gewesen, ihn gefangen zu nehmen, sagte Obamas Anti-Terror-Berater John Brennan am Montag. An der Aktion seien keine pakistanischen Sicherheitskräfte beteiligt gewesen.

Nach Informationen des US-Nachrichtensenders CNN handelte es sich hingegen um eine „Kill Mission“ - eine gezielte Liquidation. Eine Festnahme sei nicht das Ziel gewesen, berichtete der Sender unter Berufung auf offizielle Quellen. Bin Laden sei durch einen Kopfschuss getötet worden. Eine Erbgut-Analyse bestätigte laut CNN eindeutig die Identität Bin Ladens. Dessen Leiche wurde umgehend im Meer bestattet - ein für Moslems unübliches Verfahren.

Zuvor hatte die US-Einheit in einer 40-minütigen Blitzaktion den stark gesicherten Gebäudekomplex in Abbottabad 60 Kilometer nördlich der pakistanischen Hauptstadt Islamabad gestürmt. Bin Laden setzte sich zur Wehr. Bei dem Feuergefecht wurden auch drei weitere Männer und eine seiner Ehefrauen getötet, die der Terroristenchef nach Angaben des Weißen Hauses als Schutzschild missbrauchte. Unter den Toten sind nach Vermutungen der US-Behörden Bin Ladens erwachsener Sohn und zwei Kuriere, die eine wichtige Spur zu dem Terror-Chef waren.

USA: Pakistaner müssen bin Laden geschützt haben

Wie bin Laden sich lange Zeit unbemerkt von den US-Diensten in Abottabad aufhalten konnte, wirft Fragen auf. Die USA schließen eine Unterstützung des meistgesuchten Terroristen der Welt durch örtliche Behörden nicht aus. Es sei „unvorstellbar“, dass sich bin Laden ohne Hilfe längere Zeit in Pakistan habe verstecken können, sagte John Brennan.

Die Vereinigten Staaten befürchten Vergeltungsaktionen. Ihre diplomatischen Vertretungen wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Die US-Regierung appellierte dringend an ihre Bürger in besonders brisanten Regionen, Massenansammlungen zu meiden. Die Kontrollen an den New Yorker Flughäfen wurden erheblich verstärkt, an Bahnhöfen und größeren U-Bahn-Stationen zeigten Polizisten mit Sturmgewehr, Helm und Schutzweste Präsenz.

Nach Einschätzung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die am Montag mit Obama telefonierte, hat sich die Sicherheitslage in Deutschland nicht verändert. Es sei weiter nötig, wachsam zu sein. Die Gefahr durch den internationalen Terrorismus sei noch lange nicht gebannt. (dpa/AFP/dapd)

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