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Politik: „Nur Luftschlösser“

Grünen-Fraktionschefin Künast über die Familienpolitik der großen Koalition – und Teletubbie-Deutsch

Frau Künast, nachdem die Grünen jahrelang als Avantgardisten der Familienpolitik galten, haben SPD und Union das Politikfeld für sich erkannt. Was bleibt für Sie?

Wie groß das familienpolitische Feld für die Grünen noch immer ist, beweisen die aktuellen Diskussionen in der großen Koalition. Frau von der Leyen fordert von den Kommunen kostenlose Kitas und verkämpft sich selber mit allen Seiten der eigenen Koalition in steuerlichen Detailfragen. Am Ende sind es nur Luftschlösser, die die Familienministerin errichtet. Systematische und konsequente Familienpolitik sieht anders aus. Wir Grünen messen unsere Familienpolitik an diesen Kriterien.

Was stört Sie an den Steuergeschenken für Eltern und dem Elterngeld?

Ich erkenne zum einen keine Strukturen von Familienpolitik und glaube zum anderen, Kinder und ihre Eltern auf einen Arbeitsmarktfaktor zu reduzieren, wie es der Unionsansatz bei der Absetzbarkeit tut, wird den wahren Aufgaben nicht gerecht. Das, was da unter Schwarz-Rot zur Vorführung gebracht wird, spottet doch jeder Beschreibung. Frau von der Leyen ist gestartet als Supermutti und steht schon jetzt vollkommen isoliert da. Weder Kindern noch Eltern hilft dieser verbale Überbietungswettbewerb schwarz- roter Familienpolitiker, bei dem nichts herauskommt.

Elterngeld und niedrigere Steuern kommen heraus.

Ich kritisiere die konkreten Maßnahmen im Kern ja gar nicht. Alles überlegenswerte zweite Schritte nach dem Ausbau der Kinderbetreuung. So ist das zu wenig. Außerdem zeigt der aktuelle Streit, vor allem innerhalb der Union, dass CDU und CSU noch immer nichts dazugelernt haben. Nach wie vor wehren sich weite Teile der Union dagegen, ihr altes Mutterbild über den Haufen zu werfen. Und dieses traditionelle Frauen- und Mutterbild ist verantwortlich dafür, dass es in Deutschland noch immer ein viel zu geringes Angebot an Kita- und Kinderkrippenplätzen gibt.

Die Union hat eine siebenfache berufstätige Mutter als Familienministerin.

Ursula von der Leyen wird doch von der Mehrheit der deutschen Frauen nicht als Vorbild gesehen. Wer unter diesen Bedingungen Beruf und Familie in Einklang bringt, kann doch aus seiner eigenen Biografie kein modernes Frauen- und Familienmodell ableiten. Und selbst in der Union wird das Programm der Familienministerin nicht getragen. Die familienpolitischen Linien der Union, haben die konservativen Männer von CDU und CSU in das Wahlprogramm diktiert.

Die Grünen setzen vor allem auf den Ausbau von Betreuungseinrichtungen?

Genau, und da war die Familienministerin noch nicht einmal in Niedersachsen erfolgreich. Das kostenlose Vorschuljahr hat Frau von der Leyen dort im Wahlkampf 2003 versprochen und dann sofort vergessen. Und die Quote bei den Krippenplätzen für unter Dreijährige liegt in Niedersachsen bei 3,2 Prozent. Deutschlandweit sind es neun Prozent. Da frage ich doch, was wir von dieser Bundesfamilienministerin erwarten können. Kostenlose Kitas zu fordern, ist sehr leicht, wenn man sich nicht darum kümmern muss, woher das Geld dafür kommt. Den Menschen hilft diese Diskussion überhaupt nicht. Worum sich Frau von der Leyen lieber intensiv kümmern sollte, ist die Frage, wie es zu verhindern ist, dass die Eltern immer höhere Beiträge für die Betreuung ihrer Kinder bezahlen müssen. Während die Ministerin hier in Interviews Luftschlösser mit paradiesischen Zuständen aufbaut, werden nämlich etwa in Nordrhein-Westfalen gerade die Gebühren erhöht.

Wie sollen wir denn zu mehr Betreuungsplätzen kommen?

Indem wir dieses Problem erst einmal in seiner Dimension erkennen. Mir wird angst, wenn ich sehe, mit welcher Sorglosigkeit die große Koalition die Frühbildung und Erziehung der kommenden Generation angeht. Gerade für bildungsferne Schichten, für Migranten ist es äußerst wichtig, dass frühkindliche Betreuungs- und Erziehungsangebote attraktiv sind. Diese Kinder, die heute zum Teil trotz deutscher Eltern nur ein Teletubbie-Deutsch sprechen, sollen mal die Zukunft unseres Landes gestalten. Ich erwarte eine systematische und strukturierte Regierungspolitik, die Subventionen streicht und mit dem Geld massiv in Betreuungsinfrastruktur investiert.

Neue Bundesprogramme für Kitas in Kommunen?

Natürlich. Rot-Grün hat Milliardenprogramme für Kindertageseinrichtungen und Ganztagsschulen initiiert. Das war richtig, so etwas muss fortgesetzt werden. Aber es geht nicht nur um das Geld allein. Es geht auch um föderale Strukturen und damit das Recht des Bundes zu helfen. Wenn es in Zukunft, so wie es Union und SPD gemeinsam beschlossen haben, keinerlei bundeseinheitliche Bildungs-Rahmenprogramme gibt, dann wird es auch keine Möglichkeiten des Bundes mehr geben, in die Quantität und vor allem auch die Qualität von Betreuung und Bildung einzugreifen. Ganztagsschulprogramme des Bundes, die den Kommunen helfen, moderne Bildungseinrichtungen zu errichten, werden dann nicht mehr umzusetzen sein. Wir können eine solche Entwicklung nicht unterstützen und ich denke, die Föderalismusreform muss an dieser Stelle grundlegend verändert werden.

Das Gespräch führte Antje Sirleschtov.

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