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Politik: Nur mäßiger Protest gegen Rente mit 60 in Frankreich

Paris - Als Kräftemessen vor der bevorstehenden Auseinandersetzung mit der Regierung um die Reform der Renten hatten die Gewerkschaften den gestrigen „Aktionstag“ ausgegeben. Doch in der Privatwirtschaft blieb ihr Streikaufruf ohne Echo, und im öffentlichen Sektor kam es nur zu geringen Störungen.

Paris - Als Kräftemessen vor der bevorstehenden Auseinandersetzung mit der Regierung um die Reform der Renten hatten die Gewerkschaften den gestrigen „Aktionstag“ ausgegeben. Doch in der Privatwirtschaft blieb ihr Streikaufruf ohne Echo, und im öffentlichen Sektor kam es nur zu geringen Störungen. Bei der Post blieben fünfzehn Prozent der Beschäftigten der Arbeit fern, an den Schulen bis zwanzig Prozent der Lehrer. An den Pariser Flughäfen musste maximal einer von drei Flügen gestrichen werden. Bei der Eisenbahn fiel jede vierte Verbindung im Lokal- und Regionalverkehr aus. TGV und internationale Züge verkehrten normal, Metro und Busse in Paris ebenfalls.

Vor 15 Jahren hatte ein Streik der Eisenbahner gegen die Reform ihrer Renten die Regierung von Premierminister Alain Juppé noch in die Knie gezwungen. Eine ähnliche Schlappe seines Regierungschefs Francois Fillon muss Präsident Nicolas Sarkozy heute nicht befürchten. 62 Prozent der Franzosen sind zwar laut einer Umfrage bereit, für die Erhaltung des Rentensystems „auf die Straße zu gehen“. Doch sie machen sich auch keine Illusionen über die Größe des Problems.

Wenn nichts geschieht, wird sich das Defizit in der Rentenkasse nach Expertenmeinung von jetzt zehn Milliarden Euro bis 2020 auf 40 Milliarden ausweiten. Längerfristig werden je nach Wirtschaftswachstum und Arbeitslosenquote mehr als 100 Milliarden Euro fehlen. Nach Veröffentlichung dieser Prognose stimmte die Regierung die Öffentlichkeit tröpfchenweise auf ihre Absichten ein. Arbeitsminister Erik Woerth ließ Anfang der Woche die Katze aus dem Sack. Da es weder Beitragserhöhungen noch Rentenkürzungen geben soll, werden die Franzosen künftig länger für die Renten arbeiten müssen.

Welches das künftige Rentenalter sein soll, ist noch nicht bekannt. Doch die Rente mit 60, eine der sozialen Errungenschaften der ersten Amtszeit des sozialistischen Präsidenten Francois Mitterrand, wird nicht mehr zu halten sein. Entsprechend groß ist die Kontroverse. Martine Aubry, die Chefin der oppositionellen Sozialisten, plädiert für frei wählbare flexible Altersgrenzen, um die 60 Jahre als „Symbol“ zu erhalten. Dem entgegnete Präsident Sarkozy, dass ohne dieses „Erbe der Mitterrand-Zeit“ manches jetzt einfacher wäre.Hans-Hagen Bremer

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