zum Hauptinhalt

Politik: Nur mit Garantie

Darf man einen Menschen in ein Land ausliefern, wo vielleicht bald der Henker auf ihn wartet? Der selbsternannte "Kalif von Köln" ist gewiss niemand, der den Samthandschuh verdient hat.

Darf man einen Menschen in ein Land ausliefern, wo vielleicht bald der Henker auf ihn wartet? Der selbsternannte "Kalif von Köln" ist gewiss niemand, der den Samthandschuh verdient hat. Zur Zeit sitzt er in Düsseldorf im Gefängnis, verurteilt zu vier Jahren wegen Anstiftung zum Mord. Dennoch verpflichtet die Europäische Menschenrechtskonvention die Bundesrepublik, niemand in ein Land auszuliefern, wo ihm Folter oder die Todesstrafe drohen.

Auch Kaplan nicht, dessen diktatorischer Kalifatstaat nun verboten wurde. Und auf den in der Türkei ein Prozess wartet, an dessen Ende wahrscheinlich das Todesurteil stünde. Am heutigen Dienstag wird der türkische Innenminister Rüstü Kazim Yücelen nach Berlin kommen. Morgen dann will er seinem Amtskollegen Otto Schily als vorgezogenes Weihnachtspräsent den formellen Auslieferungsantrag für Kaplan überreichen.

Zum Thema Hintergrund: Kaplans "Kalifatsstaat" Schwerpunkt: Islam & Fundamentalismus Berlin ist grundsätzlich bereit, den Kalifen auszuliefern, auch die Grünen. "Im Prinzip sind alle Voraussetzungen für eine Auslieferung gegeben", sagt deren Rechtsexperte Volker Beck. Was fehle, sei die Garantie, dass Kaplan in seinem Herkunftsland weder gefoltert noch hingerichtet werde. Die Gespräche, wie jetzt mit Innenminister Yücelen, könnten allenfalls Aufschluss geben, ob man mit Ankara einig werde, dämpft ein Sprecher des Innenministeriums die Erwartungen. Auch mündliche Zusagen reichten nicht aus. "Wir brauchen klare und absolut verbindliche völkerrechtliche Garantien."

Der türkische Justizminister Hikmet Sami Türk hatte am Sonntag betont, dass allenfalls das Parlament über eine Aussetzung der Todesstrafe entscheiden könne. Zudem verweist man in Ankara darauf, dass bereits seit 1984 kein Häftling mehr hingerichtet wurde. Selbst der inhaftierte PKK-Führer Abdullah Öcalan wird vorraussichtlich nicht sterben müssen. "Dieser Hinweis reicht uns nicht", sagt Volker Beck. Denn, so der Grüne, es könnte ja demnächst eine andere Regierung in Ankara das Zepter schwingen, die sehr wohl wieder Todesurteile vollstrecken wolle. Auch diese müsse dann an die Erklärung gebunden sein. Erst vor wenigen Wochen hatte die Türkei im Zuge einer Verfassungsänderung die Todesstrafe eingeschränkt. Jetzt gilt sie nur bei terroristischen Taten und im Kriegsfall. Kaplan ist wegen Hochverrats angeklagt - in der Türkei ebenfalls ein Tötungsgrund.

Am Wochenende waberten Gerüchte durch Berlin, wonach das Szenario schon klar sei: Demnach werde Berlin von den Türken nicht verlangen, dass die Todesstrafe erst gar nicht verhängt wird. Nur deren Vollstreckung solle ausgeschlossen sein. In der Tat kann die Bundesregierung nicht mehr erreichen. Keinem Gericht darf sie vorschreiben, wie es seine Urteile zu fällen hat. Die türkische Regierung kann nur garantieren, dass das Urteil nicht ausgeführt wird.

Die Union hätte mit dieser Regelung keine Probleme. "Uns kommt es auf die praktische Durchführung an", sagt ihr Innenexperte Erwin Marschewski. Da könne man einen solchen Kompromiss durchaus billigen. Für die Union gelte der Grundsatz: "Ein Kerl wie Kaplan muss so schnell wie möglich raus aus Deutschland, rein ins türkische Gefängnis."

Eine Abschiebung, wenn Folter oder die Vollstreckung der Todesstrafe drohen, wäre aber auch für die Union tabu. Die Europäische Menschenrechtskonvention nennt darüber hinaus allerdings auch eine "erniedrigende Behandlung" des Betroffenen als Abschiebehindernis. Ob das so bleiben soll, müsse man allerdings ernsthaft diskutieren, fordert Marschewski.

Sollten sich beide Regierungen demnächst über die Auslieferung Kaplans einigen, bliebe noch die Frage, wann diese stattfinden soll. Zwei Wege führen nach Ankara: Entweder nach Ende der vierjährigen Haftstrafe in Deutschland oder aber schon früher nach einer vorzeitigen Entlassung des Extremisten. Kaplan hat freilich noch die Möglichkeit, sich rechtlich zur Wehr zu setzen.

Markus Feldenkirchen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false