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Politik: Nur Monate von der Bombe entfernt?

Mohammed al Baradei, Chef der internationalen Atomaufsicht, erhebt schwere Vorwürfe gegen Teheran

Während sich in London die Diplomaten Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands zu einer Krisensitzung wegen Irans Atomprogramm trafen, hat sich die Tonlage gegenüber Teheran weltweit verschärft. In den USA sagten republikanische wie demokratische Senatoren, Militärschläge seien ein „letzter Ausweg“, um Irans Streben nach der Atombombe zu stoppen, betonten aber, das sei „derzeit noch keine Option“. In Moskau besprach Kanzlerin Angela Merkel mit Präsident Wladimir Putin den Plan, Teherans Verhaltens vor den UN- Sicherheitsrat zu bringen.

Auch Mohammed al Baradei, Chef der internationalen Atomaufsicht, erhob den Vorwurf, Iran arbeite verbotenermaßen an der Bombe. Er könne nach drei Jahren intensiver Überprüfung nicht bestätigen, dass das Atomprogramm friedlichen Zwecken diene, wie Teheran behauptet. „Das muss der ganzen Welt zu denken geben.“ Womöglich sei Iran nur Monate von der Bombe entfernt, sagte der Friedensnobelpreisträger. Bisher hatte sich der Ägypter neutral zu den Vorwürfen verhalten und umgekehrt gesagt, er habe keine Beweise für einen Bombenbau. Nun äußerte er im Interview mit dem US-Magazin „Newsweek“ den Verdacht, Teheran habe ein weiteres, geheimes Waffenprogramm, und brachte Militärschläge ins Spiel. „Diplomatie braucht eine Rückendeckung durch Druck, im Extremfall durch den Einsatz von Gewalt. Wir müssen alles tun, um den Regeln durch Überzeugung Geltung zu verschaffen. Wenn dies nicht gelingt, muss man sie durchsetzen.“

US-Präsident George W. Bush benutzt schon seit über einem Jahr die Formel, er wünsche sich eine diplomatische Lösung, nehme aber die militärische Option nicht vom Tisch. Nach dem Treffen mit dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder Ende Februar 2005 in Mainz hatten die USA sich offiziell hinter die Verhandlungsbemühungen der EU gestellt. Die Außenminister der EU-Troika, der Brite Jack Straw, der Franzose Philippe Douste-Blazy und der Deutsche Frank- Walter Steinmeier, hatten die Gespräche Ende vergangener Woche für gescheitert erklärt, nachdem Teheran die UN-Siegel an seinen Atomanlagen entfernt und die Urananreicherung aufgenommen hatte.

Die endgültige Entscheidung, ob der UN-Sicherheitsrats im Atomstreit mit dem Iran eingeschaltet wird, fällt vermutlich Anfang Februar. Die EU-Troika forderte eine Dringlichkeitssitzung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) am 2. Februar, wie das Außenministerium in London am Montagabend mitteilte. In den UN strebt der Westen nach Angaben aus diplomatischen Kreisen nicht gleich eine Verurteilung durch den Sicherheitsrat samt Androhung von Wirtschaftssanktionen oder gar Militäraktionen an, sondern zunächst eine „präsidenzielle Erklärung“ der Besorgnis. Die muss im Konsens erfolgen, hat aber nicht das Gewicht einer Resolution. Das würde Russland und China die Zustimmung erleichtern. Und man könne einen Streit vermeiden, ob der Konflikt nach Kapitel VI der UN-Charta (Friedliche Streitbeilegung) behandelt werden soll oder nach Kapitel VII (Zwangsmaßnahmen). China braucht Irans Öl für sein Wirtschaftswachstum, Russland verdient Milliarden an Irans zivilem Atomprogramm.

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