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Politik: Nur Randale, keine Argumente (Kommentar)

Gewalt bringt Gegengewalt hervor. Und eine Diktatur kann ihre Gegner zu undemokratischen Fanatikern werden lassen.

Gewalt bringt Gegengewalt hervor. Und eine Diktatur kann ihre Gegner zu undemokratischen Fanatikern werden lassen. Dies ist noch die wohlwollendste Erklärung für das Verhalten von Teilen der linken Exil-Iraner sein, die am Wochenende verhinderten, dass eine Konferenz mit Reformern aus Iran in Berlin stattfand. Die Opfer des Islamischen Regimes, die mit Folter oder dem Verlust von Angehörigen für ihre politischen Überzeugungen bezahlten, haben ein Recht auf Gefühle, wenn ein Geistlicher, auch wenn er heute zu den Reformern gehört, vor ihnen steht. Ihnen sei auch unbenommen, dass sie nicht daran glauben, dass die Islamische Republik reformiert werden kann. Dennoch müssen sie, die - wenn auch unfreiwillig - die Vorzüge einer Demokratie im Westen genießen, ihre Landsleute ausreden lassen, die an Veränderungen in Iran glauben. Schon weil die teilweise unter Lebensgefahr im Land selbst dafür kämpfen.

Wenn die Randalierer zugehört hätten, wären sie vielleicht erstaunt gewesen: Geistliche, die die strikte Trennung von Religion und Staat fordern, Ex-Revolutionsanhänger, die staatliche Morde anprangern, Frauenrechtlerinnen, die vor einem Geistlichen ihr Kopftuch abnehmen. Vielleicht haben viele der Störer ja auch Angst, dass die Reformer ihnen ihre Rolle der "guten Iraner" streitig machen.

Denn nicht umsonst schaut die Welt gebannt auf die Reformbewegung: Nur sie kann Veränderungen in Iran herbeiführen - nicht das aus Schweden nach Berlin angereiste Grüppchen Exil-Iraner und nicht die 120 000 in Deutschland lebenden Iraner. Unerträglich ist die Arroganz, mit der die in einer Demokratie lebenden Exil-Iraner auf ihre Landsleute hinabschauen, die in der Islamischen Republik im Rahmen ihrer Möglichkeiten teilweise auf die gleichen Ziele hinarbeiten. Und dabei eine erstaunliche politische Reife an den Tag legen.

Natürlich wollen auch viele Iraner dort weitergehende Reformen, als die, die Präsident Chatami leisten kann und will. Dennoch ist allen klar, dass ein abrupter Umsturz nur zu Blutvergießen führt, das demokratische Bewußtsein sich erst langam in der gesamten Gesellschaft ausbreiten muss. Umso bitterer für die Reformer, die in Iran von den Konservativen bekämpft werden, dass sie nicht einmal im Ausland ein offenes Ohr finden. Die Randalierer haben außerdem alle iranischen Exil-Vereinigungen diskreditiert. Nicht nur die Heinrich-Böll-Stiftung wird ihnen so schnell kein Forum zur Verfügung stellen. Zu Recht.

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