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Politik: Nur zu Besuch

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Herr L. ist auch so einer, den hinter den Linden allmählich nur noch die ganz alten Hasen kennen.

Von Robert Birnbaum

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Herr L. ist auch so einer, den hinter den Linden allmählich nur noch die ganz alten Hasen kennen. Dazu ist zu sagen, dass man hier ziemlich schnell zum alten Hasen wird. Nicht so schnell wie die wirklichen Hasen – Lepus Europaeus, der gemeine Feldhase, bringt es in freier Natur mit Glück auf vier Jahre, im gemütlichen Käfigdasein allenfalls auf deren neun. Aber die Altersgrenze im Regierungsviertel hat einen ähnlichen Horizont: Sie verläuft weiterhin zwischen den „Bonnern“ und den „Berlinern“. Herr L. gehört zu denen, die man in Bonn eigentlich kennen musste, in Berlin nicht mehr unbedingt. Er leidet ein kleines bisschen darunter, vor allem aber unter den Verhältnissen.

Bonn zum Beispiel war so übersichtlich, da hat man jeden Wachmann im Bundestag gekannt. Da wäre Herrn L. nie passiert, was ihm neulich zugestoßen ist, dass sich nämlich einer von den Sicherheitsaufsehern in einem der Gänge vor ihm aufgebaut und in, sagen wir, sehr geschäftsmäßigem Ton nach seinem Dienstausweis verlangt hat. Da hat den Herrn L. der Schalk geritten, und er hat gesagt, er habe keinen. Weil er nämlich ein Besucher sei. So, hat der Sicherheitsaufseher gesagt, wo er denn hinwolle? Er wolle, sagte Herr L., zu dem Herrn L., dessen Büro da hinten sei. „Ach so, zu dem Herrn L.“, hat der Sicherheitsaufseher gesagt und ihn weitergehen lassen und gar keinen Ausweis mehr sehen wollen, nicht mal einen Besucherausweis. Herr L. aber ist nicht nur sich selbst in seinem Zimmer besuchen gegangen, sondern quält sich seither noch mit einem zweiten Paradoxon herum: Ob dieser Aufseher nun ein alter Hase war, der den Herrn L. noch kannte – oder ein frischer, der ihn nicht kannte?

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