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Politik: Obama-Propaganda mit Osama

Ein Film über die Tötung bin Ladens durch die Navy Seals kurz vor der Wahl – die Republikaner schäumen.

Washington - Am kommenden Sonntag, zwei Tage vor der Wahl also, läuft im amerikanischen Kabelfernsehen zur besten abendlichen Sendezeit ein Spielfilm über die Tötung von Al-Qaida-Chef Osama bin Laden. In ein vorteilhaftes Licht gerückt wird in dem 90-minütigen Streifen „Seal Team Six: The Raid on Osama bin Laden“ Präsident Barack Obama. Die Opposition ist empört und spricht von Propaganda. Wird Hollywood die Wahl entscheiden?

Der Reihe nach. Am 2. Mai 2011 stürmte die geheimste Eliteeinheit der US-Armee, die „Navy Seals“, das Anwesen von bin Laden im pakistanischen Abbottabad und tötete den Verantwortlichen für die Attentate vom 11. September 2001. Geheim allerdings ist an dem Vorgang längst nichts mehr. In mehreren Büchern werden Entscheidungsfindung und Ablauf minutiös rekonstruiert (darunter David E. Sanger: „Confront and Conceal“, Seth G. Jones: „Hunting in the Shadows“, Peter Bergen: „Manhunt“, Mark Bowden: „The Killing of Osama bin Laden“, Mark Owen/Kevin Maurer: „No Easy Day“).

Für Obama markiert dieser Tag den wohl wichtigsten Erfolg seiner Außen- und Sicherheitspolitik. Ihm gelang, was der Vorgängerregierung unter George W. Bush in knapp acht Jahren trotz Mobilisierung aller Ressourcen nicht gelungen war. Dabei war das Unterfangen durchaus riskant. Statt Drohnen zu schicken, hatte sich Obama für den Einsatz der Spezialkräfte entschieden. Er ließ zwei Reden vorbereiten – eine für den Erfolg, eine für den Misserfolg.

Republikaner werfen Demokraten gerne vor, in der Außenpolitik zu weich zu sein. Seit dem 2. Mai 2011 kann Obama diesen Vorwurf an sich abprallen lassen. Auch im Wahlkampf nutzt er seinen Triumph im Antiterrorkampf weidlich aus.

Das erklärt den Furor, der durch die Bekanntgabe des Erstausstrahlungstermins von „Seal Team Six“ entfacht wurde. Eine konservative Veteranen-Organisation hat bereits einen halbminütigen Anti- Obama-Clip gedreht, den sie in den Werbepausen des Films zeigen will. Darin wirft sie dem Präsidenten vor, den Erfolg der Militäreinheit in Abbottabad politisch zu instrumentalisieren, während er gleichzeitig über die Hintergründe der Ermordung des US-Botschafters in Bengasi die Unwahrheit verbreite.

Wäre da nicht dieser Termin, zwei Tage vor der Wahl, könnten alle ganz gelassen sein. Der Film wird vom Kabelsender „National Geographic“ ausgestrahlt, der mehrheitlich ausgerechnet Rupert Murdoch gehört. „National Geographic“ ist ein relativ unbedeutender Kanal, mit seinen Quoten rangiert er auf Platz 37. Traditionell dominieren am Sonntagabend die Footballspiele das TV-Programm.

Doch ein Bericht am vergangenen Dienstag in der „New York Times“ hat den Wutpegel vieler Republikaner nun noch weiter nach oben schnellen lassen. Der Zeitung liegen zwei Versionen des Films vor, dessen Rechte sich der Produzent Harvey Weinstein im vergangenen Mai beim Filmfestival in Cannes gesichert hatte. Weinstein ist ein langjähriger Freund Obamas. Und er hat, wie die Reporter der Zeitung herausfanden, den Film an mehreren Stellen ändern lassen, um den Präsidenten stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Mit im Spiel ist die Produzentin Meghan O’Hara, eine enge Vertraute von Michael Moore.

Neu sind folgende Szenen: Obama am Abend vor dem 2. Mai beim jährlichen Korrespondenten-Dinner im Weißen Haus. Obama alleine bei einem langen Spaziergang, auf dem er mit der Entscheidung ringt. Obama bei einer Rede, in der er verkündet: „Justice has been done“ – die Gerechtigkeit hat gesiegt. Weinstein und Regisseur John Stockwell wehren sich energisch gegen den Propagandavorwurf. Das Umschneiden von Filmen sei üblich, in diesem Fall habe die Handlung realistischer wirken sollen. Bei der Suche nach einem geeigneten Ausstrahlungstermin habe die Präsidentschaftswahl keine Rolle gespielt. Man habe lediglich „der Erste auf dem Markt“ sein wollen. Malte Lehming

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