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Obama und die Fairness: Farbenlehre

Barack Obama ist schwarz – weder Freund noch Feind sollten ihn darauf reduzieren. Es ist ein Gebot der Fairness, den möglichen Präsidenten Obama nach seinen politischen Qualitäten zu bewerten.

Angela Merkel war die erste Frau, die in Deutschland Kanzlerin werden konnte. Das wurde nach der letzten Bundestagswahl zu Recht ein wenig gefeiert. Doch niemand kam auf die Idee, das als Triumph über jahrzehntelange teutonische Machokultur zu interpretieren, als Anbruch eines Zeitalters neuer Gleichberechtigung, als Aufbruch in eine Ära, in der geschlechtsspezifische Unterschiede endgültig aufgehoben sind. Stattdessen wurde Merkel ziemlich bald als Politikerin gesehen, die sich durch Taten bewähren muss. Ihre angeborene Lebenszufälligkeit, eine Frau zu sein, spielt im Urteil über sie keine nennenswerte Rolle mehr. Ebenfalls zu Recht.

Nun steht Barack Obama kurz davor, der erste schwarze Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Ein historischer Moment bahne sich an, heißt es laut tönend, eine Kulturrevolution. Aber leider sei Skepsis angebracht. Hinterhältige weiße Männer, die im Kern Rassisten seien, trauten sich in Umfragen nicht, sich gegen Obama auszusprechen. Dieser Effekt würde womöglich John McCain zum Sieg verhelfen. Das wiederum wäre eine Katastrophe: Das Ku-Klux-Klan-Amerika hätte das Martin-Luther-King-Amerika in die Knie gezwungen. Ein schwerer Rückschlag für die gesellschaftliche Aussöhnung – knapp 150 Jahre nach Abschaffung der Sklaverei.

Wie in vielen Übertreibungen steckt auch in dieser ein Quäntchen Wirklichkeit. Ja, es gibt Rassismus in den USA. Er tritt seltener offen auf, sondern subtil, versteckt, kodifiziert. Aber verschwunden ist er nicht, trotz Colin Powell und Condoleezza Rice, trotz schwarzer Hollywoodstars, trotz allgemeiner Verurteilung. Zum Glück allerdings ist etwas Entscheidendes geschehen in den letzten Jahrzehnten. Heute ergeht’s Rassisten in den USA kaum anders als Antisemiten in Deutschland: Sie werden geächtet. Der Tabubruch kommt sie teuer zu stehen.

Deshalb dürfen sich Bürgerrechtler über einen Wahlsieg Obamas ebenso freuen, wie es Feministinnen über den von Merkel taten. Die Präsidentschaftswahl indes zum großen Gleichberechtigungstest hochzujazzen, ist falsch. Eine solche Attitüde reduziert Obama auf seine Herkunft, sie minimiert dessen politische Qualitäten, in ihr drückt sich gelegentlich sogar eine ins Positive gewendete Form des Rassismus aus. Obama wegen seiner Hautfarbe nicht zu wählen, ist diskriminierend, ihn allein deswegen zu wählen, beleidigend.

Gänzlich absurd klingt das Kulturkampfgetöse, wenn man es etwa auf die Vorwahlen bezieht, als Obama gegen Hillary Clinton gewann, der Schwarze gegen die Frau. Drückte sich in diesem Ergebnis aus, dass US-Demokraten nicht xenophob, dafür aber frauenverachtend sind? Wohl kaum. Es ist ein Gebot der Fairness, den möglichen Präsidenten Obama nach seinen politischen Qualitäten zu bewerten, nicht nach seiner Hautfarbe. „Meine Identität mag mit den Umständen meiner Rasse begonnen haben“, schreibt er in seiner Autobiografie, „aber sie durfte dort nicht aufhören.“ Man sollte ihn beim Wort nehmen.

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