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Politik: Obamas Schlussstrich

US-Kampftruppen feiern ihren Abzug aus dem Irak – sie hinterlassen ein Land am Rande des Chaos

Der Chef im Weißen Haus bleibt unbeirrt. Nach siebeneinhalb Jahren zieht Barack Obama an diesem Dienstag den Schlussstrich. „Das Ergebnis ist: Der Krieg geht zu Ende“, bekräftigte der US-Präsident in einer Radioansprache und erklärte den Irak zur „souveränen, unabhängigen Nation, die ihren eigenen Kurs frei abstecken kann“. Am Dienstag wird auf der US-Militärbasis nahe dem Flughafen von Bagdad noch einmal feierlich paradiert. Die „Operation Freiheit für den Irak“ wechselt zur „Operation neue Morgenröte“, deren 50 000 Berater und Ausbilder bis Ende 2011 am Ort bleiben sollen. Am Abend wird der US-Präsident vom Oval Office aus dem Volk seine Bilanz des Irakfeldzugs vorlegen. Ein „Mission erfüllt“ wird dem Kriegsgegner nicht über die Lippen kommen, wohl aber die Formulierung von einem „verantwortbaren Ende“ des Einsatzes. Und das, obwohl seine Kampftruppen ein Land zurücklassen, in dem praktisch nichts mehr funktioniert, das regelmäßig von Terrortaten erschüttert wird – und das wenig Aussicht hat auf eine neue stabile Regierung.

So warnte der noch amtierende Ministerpräsident Nuri al Maliki auch diese Woche wieder vor einer neuen Anschlagswelle in Bagdad. Al Qaida wolle zusammen mit ehemaligen Mitgliedern von Saddams Baath-Partei „Furcht und Chaos erzeugen“. Den Terrorgruppen gehe es darum, „Zweifel an der Kompetenz der irakischen Sicherheitskräfte zu säen und die politische Instabilität auszunutzen“, sekundierte ihm der Sprecher der Armee, Generalmajor Qassim al Moussawi. Sein Chef, General Babaker Zebari, fordert, die US-Armee müsse mindestens noch bis 2020 im Land bleiben. Eine Einschätzung, die das Weiße Haus kühl zurückwies. Der Präsident sei zuversichtlich, „dass die irakischen Sicherheitskräfte fähig sind, den Schutz des Landes zu übernehmen“, erklärte ein Sprecher.

Die Terroranschläge der letzten Zeit zielen systematisch auf die Moral der Militär- und Sicherheitseinheiten sowie der Justiz. Vergangene Woche kam es in 13 Städten zu Angriffen auf Polizisten und Soldaten. 56 wurden getötet, hunderte verletzt – durch Autobomben, Feuerüberfälle auf Privathäuser oder Sprengsätze am Straßenrand. Zweimal gingen in Bagdad sogar Polizisten aufeinander los. „Wir können so nicht weiterleben“, schimpfte verzweifelt ein junger Mann: „Kein Wasser, kein Strom, keine Sicherheit – und jeden Tag wird es schlimmer.“

Al Qaida hat wieder Zulauf – nicht nur wegen der wachsenden Frustration der sunnitischen Bevölkerung, auch wegen der politischen Fehler der schiitisch dominierten Regierung Maliki. Sie weigerte sich 2009, die rund 100 000 von der US-Armee angeworbenen sunnitischen Bürgerwehren weiter zu besolden. Nachdem die amerikanischen Gehaltszahlungen von monatlich bis zu 300 Dollar ausgelaufen waren, übernahm Bagdad gerade einmal 20 Prozent der Sahwa-Kämpfer auf ihre Lohnlisten. Der Rest des Fußvolkes ging leer aus, so dass Hunderte von ihnen die Fronten wechselten und ihre bisherigen Sahwa-Chefs ermordeten.

Kein Wunder, dass das US-Oberkommando eine Rückkehr von Kampftruppen nicht kategorisch ausschließen möchte. So versicherte General Ray Odierno im Sender CNN, die abgezogenen Einheiten könnten in den Irak zurückverlegt werden, wenn es zu einem „kompletten Zusammenbruch“ der inneren Sicherheit komme – ein Fall, den er allerdings als „unwahrscheinlich“ bezeichnete. Auch Obamas Verteidigungsminister Robert Gates will sich noch eine Hintertür offenhalten: „Wenn sich eine neue Regierung im Irak gebildet hat und die dann mit uns über die Zeit nach 2011 sprechen möchte – wir sind für diese Diskussion offen.“

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