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Oberstes US-Gericht: Hoffnung für Gefangene in Guantanamo

Die Kehrtwende des Obersten Gerichts der USA in der Beurteilung der Rechte von Guantanamo-Gefangenen hat Spekulationen über eine Schließung des Lagers für Terrorverdächtige verstärkt.

Die Kehrtwende des Obersten Gerichts der USA in der Beurteilung der Rechte von Guantanamo-Gefangenen hat Spekulationen über eine Schließung des Lagers für Terrorverdächtige verstärkt. Am Freitag hatte der Supreme Court entschieden, dass er Beschwerden von Gefangenen über ihren rechtlichen Status anhören werde. Das hat zunächst keine praktischen Auswirkungen. Die Anhörungen werden für Herbst oder Winter erwartet, und es ist keineswegs sicher, dass die Richter zugunsten der Gefangenen entscheiden. Ihre bisherigen Urteile betrafen vor allem prozedurale Fragen, zum Beispiel die, welche Verfassungsorgane an den Vorschriften für den Umgang mit Terrorgefangenen beteiligt werden müssen. Eine Grundsatzentscheidung, ob Guantanamo-Insassen die vollen Rechte Angeklagter in den USA haben oder auf Dauer einen minderen Rechtsstatus, wie die Regierung will, haben sie noch nicht gefällt.

Die US-Medien werten die Entscheidung jedoch als kleine Revolution. Im April hatte das Gericht den Antrag auf Anhörung noch abgelehnt. Nur drei der neun Richter waren dafür, David Souter, Ruth Bader Ginsburg und Stephen Breyer. Zwei weitere, John Paul Stevens und Anthony Kennedy, wollten die Entwicklung „genau beobachten“. Für die Kehrtwende waren fünf Stimmen nötig. Wer wie gestimmt hat, wird bei Anhörungsbeschlüssen nicht öffentlich. Die Medien vermuten, dass Stevens und Kennedy die Seite gewechselt haben. Die von Präsident Bush 2005 ernannten zwei neuen Richter, John Roberts und Samuel Alito, bilden mit Antonin Scalia und Clarence Thomas einen konservativen Block. Rechtsexperten sagen, der rasche Schwenk binnen weniger Monate sei beispiellos in der Geschichte des Gerichts.

Er fällt zusammen mit verdeckten Debatten in der Regierung Bush, wie man Guantanamo schließen kann, weil das Lager als schwere Belastung des Ansehens der USA empfunden wird, und mit offenen Anträgen aus dem Kongress, die Finanzierung zu stoppen. 140 Abgeordnete hatten in einem Brief am Freitag gefordert, den Gefangenen vollen Zugang zu allen Gerichten in den USA zu geben. Die Bush-Regierung hatte argumentiert, der Militärstützpunkt Guantanamo auf Kuba sei exterritorial, deshalb gelte Amerikas Rechtsordnung dort nicht. Im Kabinett befürworten Außenministerin Condoleezza Rice und Verteidigungsminister Bob Gates die Schließung, Vizepräsident Dick Cheney und Justizminister Alberto Gonzales sind dagegen.

Das Lager war 2002 nach dem Krieg zum Sturz der Taliban in Afghanistan für angebliche Topterroristen eingerichtet worden. Hunderte wurden entlassen oder an Gefängnisse in ihren Heimatländern überstellt, heute soll es 375 Insassen haben. US-Gerichte entscheiden seit drei Jahren immer häufiger gegen die Rechtskonstruktion der Bush-Regierung, wonach die Gefangenen mindere Rechte haben. Gegen die Militärtribunale zu ihrer Aburteilung hatte der Supreme Court Einwände. Christoph von Marschall

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