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Rundfunkstaatsvertrag

© dpa

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Aus für Gottschalks Wetten im Netz

So haben sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das nicht vorgestellt: Die Ministerpräsidenten der Länder haben dem Online-Angebot von ARD und ZDF klare Grenzen gesetzt. Beratungsdienst oder Kontaktbörsen sind ab sofort tabu - und es gibt weitere Verbote.

ARD und ZDF müssen sich auf eine Einschränkung ihrer Aktivitäten im Internet einstellen. Die Sender sollen in Zukunft nur "sendungsbezogene" Angebote ins Netz stellen dürfen, eine "elektronische Presse" in Konkurrenz zu den Zeitungen wird es nicht geben. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Regierungschef Roland Koch (CDU), stellte die Eckpunkte der Regelung nach einem Treffen mit seinen Amtkollegen vor, die den Entwurf für den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag einvernehmlich verabschiedeten.

Als "elektronische Presse" bezeichneten die Ministerpräsidenten Internet-Auftritte, die Angeboten von Zeitungen oder Magazinen entsprächen. Die Nutzung von Zeitungen im Internet müsse vom Charakter her etwas anderes sein als das, was die Öffentlich- Rechtlichen herstellen. Größere Sportereignisse wie Olympia oder Pokalspiele sollen grundsätzlich 24 Stunden im Netz bereitgestellt werden. Andere Angebote werden sieben Tage abrufbar sein. Diese Regel soll bei Informations- und Bildungsangeboten abgeschwächt werden.

Drei-Stufen-Test für neue digitale Angebote

Strittig ist noch, welche Unterhaltungsangebote die Anstalten ins Netz stellen dürfen. In einer Negativliste soll festgeschrieben werden, was tabu ist. "Die Sendung mit dem Koch, die zum Essensrezept führt, das dann einen Link zum Bucherverlag hat und zum Püreehersteller weist" werde es nicht mehr geben. Auch Unterhaltungsangebote als Auskopplung von TV-Sendungen wie etwa "die 100 besten Wetten von Thomas Gottschalk" seien nicht mehr möglich, sagte der hessische Ministerpräsident.

Neue digitale Angebote sollen einem sogenannten Drei-Stufen-Test unterzogen werden, bei dem die Sendergremien prüfen, ob sie dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entsprechen, einen qualitativen Beitrag zum publizistischen Wettbewerb leisten und der damit verbundene finanzielle Aufwand vertretbar ist.

Welcher Anteil der Gebühren der Hörer und Zuschauer künftig auf die Internet-Präsenz entfalle, sei Sache der einzelnen Rundfunkanstalten. Eine finanzielle Deckelung werde es nicht geben, weil es schwierig sei, den Bedarf plausibel einzuschätzen, erklärte.

Verhaltene Reaktion von ARD und ZDF

ARD und ZDF reagierten auf die Einigung verhalten. Die ARD erklärte, die Unterhaltung sei eine unverzichtbare Säule des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Hier müssten sich die Ministerpräsidenten noch einigen, wie sich dies in Online-Angeboten niederschlägt. "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht das Internet", sagte der ARD-Vorsitzende Raff. Die Zuschauer wollten die Inhalte orts- und zeitunabhängig abrufen können.

ZDF-Intendant Markus Schächter sagte, die geplante Begrenzung der Internetinhalte auf "sendungsbezogene Themen" und einen Zeitraum von sieben Tagen werde von Brüssel gar nicht gefordert. "Die BBC und France Télévision zum Beispiel haben im Netz mit Erlaubnis von Brüssel deutlich größere Spielräume", sagte Schächter.

Die Internetauftritte von ARD und ZDF waren besonders von den deutschen Verlegern kritisiert worden, weil diese darin eine Konkurrenz für ihre journalistischen Online-Produkte sehen. Zusätzlicher Druck kam aus Brüssel: Die EU-Kommission hatte die Bundesrepublik aufgefordert, den Programmauftrag des gebührenfinanzierten Rundfunks vor allem mit Blick auf das neue Medium Internet zu präzisieren.

Warnungen aus Brüssel

Die Privatsender nannten den Kompromiss ein "positives Signal". ARD und ZDF sollten sich nun mit neuen Programmvorhaben und Internetauftritten zurückhalten, sagte der Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien, Jürgen Doetz. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger kritisierte den Kompromiss. Unter dem Etikett "sendungsbezogen" dürften ARD und ZDF weiterhin Angebote machen, die fast identisch seien mit vielen Internet-Portalen der Verlage.

EU-Medienkommissarin Viviane Reding drohte vor den Beratungen mit einer neuen rechtlichen Auseinandersetzung über das deutsche Gebührensystem. Nach Redings Auffassung ist der Onlinemarkt "wesensverschieden vom klassischen Fernsehmarkt". Deshalb seien dort öffentlich finanzierte Angebote "sehr viel schwerer zu rechtfertigen als im Rundfunk" - es war ein klarer Wink in Richtung der Ministerpräsidenten, das Online-Angebot von ARD und ZDF auf eine reine Begleitung des Fernsehprogramms zu beschränken.

Der Arbeitsentwurf soll nach den Worten Kochs als nächstes der EU-Kommission in Brüssel vorgelegt werden. Danach werde es letzte abschließende Gespräche mit den Verlegern und den Rundfunkanstalten geben. Am Ende werde "eine Art Neufassung des Grundgesetzes der öffentlich-rechtlichen Medien" in Form des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags auf dem Tisch liegen. Die endgültige Entscheidung darüber werde im Herbst getroffen. (nim/dpa/AFP)

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