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Politik: Ölpreis: Nur keine Panik (Leitartikel)

Die Angst geht um. Der Ölpreis steigt und steigt, Auto fahren wird fast jeden Tag teurer, und immer mehr Ökonomen warnen: Das teure schwarze Gold könnte der gerade erst in Fahrt gekommenen Konjunktur einen gehörigen Dämpfer versetzen.

Die Angst geht um. Der Ölpreis steigt und steigt, Auto fahren wird fast jeden Tag teurer, und immer mehr Ökonomen warnen: Das teure schwarze Gold könnte der gerade erst in Fahrt gekommenen Konjunktur einen gehörigen Dämpfer versetzen. Und der Euro fällt ins Bodenlose. Schon dreht das Klima sich auch in den USA: Export-orientierte Unternehmen - von Coca Cola über Colgate-Palmolive bis McDonalds - werden ihre Produkte nicht mehr los, weil der Dollar zu teuer ist. Schon gibt der Dow Jones Index nach.

Schwacher Euro und teures Öl: Sind das die Vorboten einer neuen Ölkrise wie in den Jahren 1973/74? Würgt das Kartell der Opec-Länder rücksichtslos die Weltkonjunktur ab? Ein Szenario mit Schrecken. Denn es weckt Erinnerungen. Die Ölknappheit zu Beginn der siebziger Jahre und die darauf folgende Depression gehört für den Westen zu den einschneidendsten Phasen der Nachkriegszeit. Als die Scheichs den Hahn zudrehten, vorwiegend aus politischen Motiven, herrschte in den Industrieländern urplötzlich Stillstand: Die Bundesregierung rief autofreie Sonntage aus, und der Verkehr, das Blut in den Adern der Marktwirtschaft, hörte zu fließen auf. Das markierte den Beginn einer Zeitenwende - die sorgenfreie Ära der Vollbeschäftigung und des lang anhaltenden Wachstums war vorbei. Rezession, Inflation, magere Produktivität und Massenarbeitslosigkeit bestimmten fortan das Bild. Die Grenzen des Wachstums, wie es der Club of Rome in einem Bericht formulierte, schienen erreicht - spätestens seitdem wissen wir, dass alle natürlichen Ressourcen irgendwann zur Neige gehen und sich die Umwelt nicht grenzenlos ausbeuten lässt.

Die Geschichte wird sich dennoch nicht wiederholen. Die Wirtschaft ist dank effizienterer Technik nicht mehr so abhängig vom Öl wie noch vor einem Vierteljahrhundert. Zudem ist der Einfluss des Opec-Kartells geschwunden - die Industrieländer haben eigene Förderquellen erschlossen, täglich kommen neue hinzu. Schließlich findet Wachstum immer weniger in den energiehungrigen traditionellen Industrien statt, sondern in der Neuen Wirtschaft, wo Bits, Bytes und Ideen die wichtigen Rohstoffe sind. Nach dem Ölpreisschock hatte die Produktivität weltweit gelitten. Durch die New Economy aber wird sie nachhaltig gestärkt. Bald auch bei uns. Und der Ölpreis wird sich mittelfristig wieder auf mittlerem Niveau einpendeln.

Euroschwäche und Ölpreisanstieg sind bis heute keine als bedrohlich einzustufenden Anheizer einer neuen Inflation. Denn Liberalisierung und Deregulierung sorgen dafür, dass andernorts die Preise fallen. Hinzu kommt: Auch der hoffnungslos unterbewertete Euro wird sich wieder beruhigen. Den Zeitpunkt freilich kann keiner nennen. Auch die nicht, die jetzt die Notenbanken zu Interventionen am Devisenmarkt ermuntern.

Die Unkenrufe sind also überzogen. Schlimmeres als einen Dämpfer wird die Konjunktur nur erleiden, wenn die Unternehmen trotz der robusten Fundamentaldaten an die düsteren Prognosen zu glauben beginnen und die Stimmung bei Wirtschaft und Verbrauchern kippt. Dann würde der Euro immer weiter fallen, Inflation gäbe es tatsächlich und die Zentralbanken würden genötigt, gegenzusteuern - zum Schaden für das Wachstum. Eine sich selbst erfüllende Untergangsprophetie - ausschließen kann sie niemand. Doch sollten Politiker, Währungshüter und Medien sich hüten, daran mitzuwirken. Kühl bleiben - das ist nicht nur psychologisch vernünftig, sondern auch ökonomisch berechtigt. Denn die fundamentale Basis ist gesund: diesseits und jenseits des Atlantiks.

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