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Österreich: Die Schlacht um Kärnten

Erbe in Scherben: Das Bündnis Zukunft Österreich steht vor der Spaltung. Unerbittlich kämpfen die Kontrahenten um das Vermächtnis seines Übervaters Jörg Haider.

Es war nur eine kleine Gruppe, die sich am Samstagvormittag vor dem Sitz der Kärntner Landesregierung in Klagenfurt versammelt hatte. Vier Abgeordnete, ein paar Mitarbeiter, Sympathisanten. Doch zumindest ihren Titeln nach waren sie mächtig: Einer von ihnen war Josef Bucher, der Obmann des Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), ein anderer BZÖ-Generalsekretär Stefan Petzner.

Sie hatten sich nicht zufällig hier getroffen. Hinter den weißen Mauern des Regierungssitzes hatte zehn Jahre lang Jörg Haider residiert, und vor ziemlich genau fünf Jahren erfand er hier das BZÖ. Mit ihm spaltete er sich von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) ab, die er zuvor fast 20 Jahre lang geprägt hatte. Und auch wenn Haiders Vision im übrigen Österreich nie Fuß fassen konnte – hier in Kärnten war sie höchst erfolgreich.

Doch spätestens seit dem gestrigen Samstag schaut es für Haiders Zukunftsbündnis gar nicht mehr gut aus: Vor vier Wochen hatte die Führung der Kärntner BZÖ-Landesgruppe beschlossen, das Bündnis zu verlassen und sich wieder der alten FPÖ anzunähern. Bucher und Petzner, beide Kärntner und erst vor einem knappen Jahr von ihren Parteifreunden als Abgeordnete nach Wien geschickt, um das BZÖ nach Haiders Tod zu stabilisieren, hatten von dem Putsch nichts gewusst und wurden von ihrem Kärntner Parteifreund Uwe Scheuch vor vollendete Tatsachen gestellt. Beim Landesparteitag am Samstag sollte der Putsch abgesegnet werden, und um genau das zu verhindern, postierte sich die Bundesebene also symbolträchtig vor dem BZÖ-Geburtshaus – um anschließend mit einer Art Fürbitten-Transparent in Richtung Landesparteitag zu marschieren: „Lieber Jörg, bitte hilf uns, diese Verräter zu verscheuchen.“

Allein: Jörg Haider kann oder will nicht mehr helfen, und das wird schon beim Eintreffen der Parteispitze, die nunmehr Outlaws sind, im Konzerthaus klar. Bucher und Petzner werden ausgebuht, einige ihrer Mitarbeiter können den Saal gar nicht erst betreten, da sie von der Landesgruppe nicht mit Delegiertenkarten ausgestattet wurden. Nur die stimmberechtigten Kärntner BZÖ-Sympathisanten sollten eingelassen werden. Keine leichte Aufgabe für die Saalordner, da beide Gruppierungen in identischer Kärntner Tracht und teils sogar mit den gleichen milieutypischen Burschenschaftsnarben im Gesicht Einlass begehren.

Klingt verwirrend, ist es auch, etwa so wie der Zwist zwischen „Judäischer Volksfront“ und „Volksfront von Judäa“ im Monty-Python-Klassiker „Das Leben des Brian“. Die Kärntner Gruppe des BZÖ firmiert inzwischen unter dem Titel „Freiheitliche Partei Kärntens“, kurz FPK. Sie stellt in Kärnten den Landeshauptmann und will bei Bundeswahlen die FPÖ unterstützen. Letztere hat aber in Kärnten nach wie vor eine eigene Landesgruppe, die nicht mit der FPK zusammenarbeiten will. Zusätzlich gründet das Bundes-BZÖ nun in Kärnten eine neue Landesgruppe. Macht, je nach Sichtweise, zwischen zwei und fünf Parteien, die alle mit identischem Inhalt, also einer populistischen und latent fremdenfeindlichen Politik antreten. Selbst für Experten sind Unterschiede schwer zu erkennen, zumal das handelnde Personal seit rund zehn Jahren identisch ist und nur aufgrund persönlicher Zu- und Abneigungen zwischen den Parteien hin und her wechselt.

Beim Parteitag berufen sich zwei BZÖ-Abweichler, Landeshauptmann Gerhard Dörfler und Landesparteichef Uwe Scheuch, in ihren Reden zwar ständig auf Haider, unterstreichen aber gleichzeitig, dass das BZÖ keine Zukunft habe, weil es außerhalb Kärntens nicht wahrgenommen werde. Ihre Schlussfolgerung: Mit der FPÖ sei man handlungsfähiger als mit dem schwachbrüstigen, weil enthaiderten BZÖ.

Wie schwer die Trennung dennoch fällt, wird beim Parteitag offensichtlich: Vom Bühnenbild bis zur Choreografie, vom Einmarsch der Fahnenträger bis hin zur musikalischen Untermalung ist alles wie bei vergangenen BZÖ-Parteitagen. Besonders absurd wird es, als ein Film über die Parteigeschichte eingespielt wird. Er besteht praktisch nur aus Haider-Szenen. Es ist ein Film, der kurz nach Haiders Tod von dessen einstigem Sprecher Stefan Petzner produziert wurde. Petzner, der früher auch die Ästhetik der BZÖ-Parteitage prägte, gehört heute zu den Weggeputschten. In einem kurzen, aber emotionalen Statement verschafft er sich kurz vor 16 Uhr auf der Bühne Luft – und wird dafür von seinen einstigen Parteifreunden ausgebuht. Als Petzner, der Haider einst seinen „Lebensmenschen“ nannte und dafür von einem Kommentator als „Nebenwitwe“ tituliert wurde, die Bühne verlässt, ruft ihm sein einstiger Parteigenosse Dörfler hinterher: „Benimm dich wie ein Mann.“ So böse können alte Freunde sein.

Markus Huber[Klagenfurt]

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