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Österreichs Kanzler Faymann: "Wir brauchen ein Signal an die Bürger Europas"

In Brüssel beraten die europäischen Regierungschefs über die Folgen der Euro-Krise. Der österreichische Bundeskanzler Faymann spricht mit dem Tagesspiegel über Sparpakete und eine globale Finanztransaktionssteuer.

Herr Bundeskanzler, an diesem Donnerstag trifft sich die EU zum Gipfel. Es ist wieder einmal eine Begegnung in europäischen Krisenzeiten. Inwieweit wird die Stabilität des Euro bei dem Treffen eine Rolle spielen?

Selbstverständlich sprechen wir beim EU-Gipfel über aktuelle Entwicklungen. Nun müssen wir zeigen, dass wir die richtigen Lehren daraus ziehen. Der Rettungsschirm und das Paket für Griechenland waren notwendig, doch jetzt sind weitere Schritte in Richtung einer gemeinsamen europäischen Finanzmarktarchitektur zu setzen.

Die Finanzminister der 16 Euro-Länder haben inzwischen das Rettungspaket für die Gemeinschaftswährung unter Dach und Fach gebracht. Ist damit die Krise ausgestanden?

Nein. Die Krise ist erst ausgestanden, wenn die Arbeitslosenzahlen zurückgehen: Das Wachstum in Europa hat sich zwar stabilisiert, die Erholung ist aber noch schwach. Gleichzeitig müssen wir nun unsere Budgets konsolidieren. Die Finanzmärkte sind nervös, weil sie nicht sicher sind, inwieweit manche Staaten ihre Sparziele umsetzen beziehungsweise ob deren Sparprogramme in dem gewählten Ausmaß zielführend sind. Hier müssen wir die richtige Balance finden.

Die Europäische Zentralbank (EZB) muss um ihre Glaubwürdigkeit als eigenständiges Gremium kämpfen. War die EZB unter dem Druck der Politik zu nachgiebig – insbesondere beim Kauf von Staatsanleihen?

Die EZB geht aus meiner Sicht klug und umsichtig vor. Ihre Entscheidungen tragen zur Stabilisierung bei. Sie schrecken Spekulanten vor weiteren Wetten gegen den Euro ab. Die Unabhängigkeit der Zentralbank wird dadurch nicht beeinträchtigt – was auch von Präsident Trichet bekräftigt wurde.

Gehen Sie davon aus, dass notleidende Euro-Mitglieder den Rettungsschirm irgendwann auch tatsächlich in Anspruch nehmen müssen?

Ich kann nicht hellsehen. Aufgeregtheit ist jedenfalls nicht angebracht. Es ist gut, dass es den Rettungsschirm gibt. Jetzt sind aber auch weiterführende Maßnahmen notwendig. Krisen dürfen uns nicht mehr so überraschend treffen. Der Vorsitzende der Task Force, Präsident Van Rompuy, wird jetzt einen ersten Bericht vorlegen, den wir diskutieren werden.

Beim EU-Gipfel wird auch das G-20-Treffen Ende des Monats in Toronto vorbereitet. Glauben Sie, dass sich in Toronto die von einigen EU-Staaten – darunter Österreich – geforderte Finanztransaktionssteuer durchsetzen lässt?

Ich war als österreichischer Regierungschef von Anfang an ein Befürworter der Finanztransaktionssteuer und zunächst mit dieser Position fast alleine. Wir sind aber mehr geworden. Auch die deutsche Kanzlerin Merkel hat zuletzt Unterstützung signalisiert. Gleichzeitig wissen wir aber alle, dass einige G-20-Staaten – USA, Kanada, Australien – eine globale Transaktionssteuer ablehnen. Eine gemeinsame EU-Position in dieser Frage, wie sie sich auch für eine Bankenabgabe abzeichnet, die wir als zusätzliches Instrument sehen, wäre ein Signal an die Bürgerinnen und Bürger Europas, die nicht verstehen können, warum die Finanzmärkte nicht auch einen fairen Beitrag zu den Aufräumarbeiten leisten sollen.

Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy hält offenbar die deutschen Sparanstrengungen für überzogen. Sehen Sie das auch so?

Klar ist, dass europaweit Sparanstrengungen notwendig sind. Es geht aber um richtiges Sparen, mit sozial gerechten Maßnahmen. Wir müssen die Beschäftigung und das Wachstum sehr genau im Auge behalten. Die Menschen würden es nicht verstehen, wenn wie mit dem Rasenmäher über alle drübergefahren wird, ohne auf Zukunftsbereiche wie Bildung, Gesundheit oder auf soziale Ausgewogenheit zu schauen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy wollen es beim EU-Gipfel nicht auf einen Streit um eine EU-Wirtschaftsregierung ankommen lassen. Beide sprachen sich am Montag für eine Wirtschaftsregierung aller 27 EU-Staaten aus – im Bedarfsfall soll es aber auch Treffen der 16 Euroländer geben können. Ist das ein praktikabler Vorschlag?

Prinzipiell denke ich, dass wir keine neue Institution schaffen müssen. Wir haben uns bereits im Februar darauf verständigt, dass der Europäische Rat in Zukunft als Wirtschaftsregierung der EU zu sehen ist. Unbestritten ist, dass wir unsere Wirtschaftspolitik besser abstimmen und die Überwachung verbessern müssen.

Wie werten Sie die gelegentlichen deutsch-französischen Irritationen in der Euro-Krise?

Es kann immer unterschiedliche Meinungen geben. Wichtig sind die Ergebnisse, die wir gemeinsam erarbeiten. Und entscheidend sind die Lehren, die wir aus der Krise ziehen.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

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