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Politik: Ohne Bonus

Schröder unterstellte den Medien Manipulation – Studien finden keinen Beleg

Berlin - Gerhard Schröder poltert wieder. In seinen Memoiren schreibt er über Medien, Umfragen und Meinungsforscher. Dabei benutzt er Sprachbilder wie den krachenden Absturz, die begierig aufgegriffene Agenda-Kritik, das folgende Leid der SPD-Parteimitglieder. Es ist eine Sprache des Kampfes – und eine der Furcht: Die Stimmung vor den Bundestagswahlen 2005, die sei „eine andere, als uns die Meinungsforschungsinstitute glauben machen wollten“ gewesen – Schröder unterstellt Manipulation. Den Vorabdruck seiner Erinnerungen übernehmen übrigens genau die Medien, von denen der Ex-Bundeskanzler am tiefsten enttäuscht war: „Bild“ und „Spiegel“.

Gerade jetzt sind zwei Studien über Umfragen zur Wahl 2005 erschienen. Die eine ist von Ralf Hohlfeld, Universität Eichstätt Ingolstadt, die zweite von Frank Brettschneider, Uni Augsburg. Beide zeigen: So einfach, wie Schröder die Eichstätter Ergebnisse im Gespräch mit dem „Spiegel“ zusammenfasste, nämlich dass die Berichterstattung zu den Bundestagswahlen parteiergreifend war, ist es nicht.

Oberflächlich gesehen hat er recht: Die rot-grüne Regierung erhielt in TV-Nachrichten acht Prozent weniger Sendezeit als die Opposition. Die Forscher um Brettschneider untersuchten 1008 O-Töne aus Nachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und Sat 1; dafür wurden die vier Wochen vor der Wahl berücksichtigt. Das Ergebnis war überraschend. Zum ersten Mal sei der Kanzlerbonus, das Plus an Berichterstattung für die Regierung, nicht mehr da gewesen. Die Erklärung dafür liefert Schröder selbst: „Der Professor aus Heidelberg und Edmund Stoiber (…) wurden zu meinen besten Wahlhelfern“, schreibt er. Denn der CDU gelang es, zunächst Themen zu setzen, Gesundheit und Steuern etwa. Nur „genau diese schadeten der CDU später“, erklärt Brettschneider. Steuerexperte Paul Kirchhof, der „Professor aus Heidelberg“, wurde schließlich mehr Bürde als Hilfe. Durch ihren Hickhack gewann die CDU Sendezeit – aber keine positive Berichterstattung.

Eine Verzerrung indes gab es: zu drei Vierteln wurde über Strategien und nur zu einem Viertel über Inhalte berichtet. Und hier schließt die Studie Brettschneiders an. Denn zur politischen Strategie gehört der Umgang mit Umfragen, wie Schröder schreibt: „Die schlechten Umfragewerte für die SPD (…) wollten Teile der Gewerkschaftsführung ausnutzen (…)“. Dazu Brettschneiders Ergebnis im historischen Vergleich: Ja, es gibt immer mehr Wahlumfragen in Zeitungen. (1994: 168, 2005: 415 Umfragen in je zwölf Wochen vor einer Bundestagswahl). Aber: Nur bei knapp der Hälfte der Statistiken wird der Zeitpunkt der Umfrage angegeben, nur ein Drittel nennt Stichprobengröße und Wortlaut. „Umfragen sind nicht per se schlecht“, sagt Brettschneider, „aber wie sie genutzt werden, ist oft bedenklich.“

Klar wird in den Befürchtungen Schröders wie in den Studien: Umfrageergebnisse haben eine enorme Macht. Allerdings lassen sich von ihnen nur taktische Wähler beeinflussen. Und nicht die Uninformierteren, um die die Parteien bangen. Zu ergänzen wäre: Und die Politiker. Wenn man Schröder glaubt.

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