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Darf sich von Ex-Geheimdienstlern trennen: Behördenchef Jahn.

©  Kai-Uwe Heinrich

Politik: Ohne Einvernehmen getrennt

Bundestag beschließt Versetzung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter

Berlin - Der Bundestag hat am Freitag mit der Mehrheit der Regierungskoalition einer Änderung des Stasi-Unterlagengesetzes zugestimmt. Damit wird der Weg frei für eine Versetzung ehemaliger Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit aus der Stasi-Unterlagenbehörde. Außerdem sollen mehr Angestellte als bisher auf eine Stasi-Vergangenheit überprüft werden – auch ohne einen Verdacht. Die Opposition lehnte die Änderung ab. Damit wurde das Stasi-Unterlagengesetz zum ersten Mal ohne eine breite parlamentarische Mehrheit überarbeitet.

„Die Veränderungen sorgen für Integrität und Vertrauen in die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes“, sagte Beatrix Philipp (CDU). Eine systematische Überprüfung sei wichtig. „Ohne das Gesetz wäre der Dienstherr auf zufällige Enthüllungen angewiesen“, sagte Philipp. Ihr Kollege Reiner Deutschmann (FDP) betonte: „Es darf keinen Schlussstrich unter die Aufarbeitung des SED-Unrechts geben.“ Er sieht die Glaubwürdigkeit der Stasi-Unterlagenbehörde jetzt gestärkt. „Kein Opfer darf das Gefühl haben, die Stasi säße noch in seinem Nacken“, sagte Deutschmann. Ehemalige Stasi-Mitarbeiter dürften keine Karriere im öffentlichen Dienst machen. Ebenso müsse verhindert werden, dass die Opfer in der Behörde den Tätern begegnen.

Im Prinzip teilt auch die Opposition die Beweggründe. „Eine Aufarbeitung der SED-Herrschaft ist wesentlich für unsere Demokratie“, sagte der stellvertretende Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD). Die Koalition sei allerdings über das Ziel hinausgeschossen. „Die vorgeschlagenen Änderungen sind rechtlich bedenklich“, sagte Thierse. Die Versetzung der Mitarbeiter sei ein rückwirkendes Einzelfallgesetz und deshalb nicht zulässig. „Durch latentes Misstrauen gegen Ostdeutsche wird kein Vertrauen geschaffen. Wir sind gewiss, dass eine andere Lösung des Problems möglich ist“, sagte Thierse. Eine Versetzung der Mitarbeiter solle auf dem arbeitsrechtlichen Weg gelöst werden. Der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland forderte dazu auf, die nunmehr 20-jährige, unbeanstandete Arbeit der Betroffenen zu würdigen. „Der Rechtsstaat kennt keine Rache und keine Vergeltung, er kennt und organisiert aber das Vergessen“, sagte Wieland.

Die Opposition bedauerte, dass das Gesetz nun nicht wie bisher mit breiter Bundestagsmehrheit geändert wurde. „Schwarz-Gelb ist aus einer bisher verantwortungsvollen Balance zwischen den Interessen der Opfer und des Rechtsstaats ausgebrochen“, sagte Wolfgang Wieland. Patrick Kurth (FDP) wies diesen Vorwurf zurück. „SPD, Grüne und Linke müssen erklären, warum sie nicht zustimmen“, sagte Kurth. Er warf Wolfgang Thierse vor, Ost- und Westdeutsche gegeneinander auszuspielen.

Die Linken-Abgeordnete Rosemarie Hein betonte, dass auch ihrer Partei an einer Auseinandersetzung mit der Stasi-Geschichte gelegen sei. Sie kritisierte jedoch, dass eine Überprüfung von Personen nun bis 2019 möglich ist. „Das liegt weit über den üblichen strafrechtlichen Verjährungsfristen“, sagte Hein. Sie sprach sich dafür aus, die Stasi-Unterlagen ins Bundesarchiv zu überführen.

Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, zeigte sich nach der Abstimmung im Bundestag zufrieden. „Die Entscheidung ist ein deutliches Zeichen gegen das Vergessen und eine gute Arbeitsgrundlage für uns“, sagte Jahn. Er hatte bereits kurz nach seiner Amtseinführung im Frühjahr eine Versetzung der ehemaligen Geheimdienstler aus seiner Behörde gefordert. Die Opposition kritisierte das jetzt beschlossene Gesetz deshalb auch als „Lex Jahn“.

Bei der Stasi-Unterlagenbehörde arbeiten derzeit noch 45 ehemalige Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit. Nach Informationen der Behörde sind sie im Wachschutz tätig. Gemäß dem neuen Gesetz werden sie nun an andere Stellen im öffentlichen Dienst versetzt. Medienberichten zufolge hat die Bundesverwaltung bereits für 19 Personen neue Verwendungen ausgemacht. Beim zuständigen Kulturstaatsminister Bernd Neumann wollte man diese Zahl nicht bestätigen.

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