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Politik: Ohne Filter

Stuttgarts Minister Schmid (SPD) warnt vor Überforderung der Banken durch die Transaktionssteuer – und irritiert die eigene Partei.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf Börsen- und Devisengeschäfte gehört seit langem zu den Kernforderungen der SPD, wenn es darum geht, Lehren aus der Finanzmarktkrise zu ziehen. Mit der Forderung, dass die Banken an der Finanzierung der Krisenkosten beteiligt werden müssten, hat die SPD bis zuletzt ihre Zustimmung zu Rettungspaketen für kriselnde Euro-Länder in Verbindung gebracht.

Seit Februar liegt ein Entwurf der EU-Kommission zur Einführung einer solchen Transaktionssteuer vor, der vonseiten sozialdemokratischer Finanzpolitiker bisher auch nicht kritisiert wurde. Nun tauchen plötzlich ganz unterschiedliche Bewertungen der Folgen einer solchen Steuer auf. Dies wirft die Frage auf, ob die gegenwärtigen Pläne der EU-Kommission aus Sicht der SPD nun „Mist“ sind oder „gut“.

Dass sie „Mist“ sind, das findet der SPD-Finanzminister des Landes Baden-Württemberg, Nils Schmid, nachdem er eine entsprechende Analyse seiner Landesbank gelesen und ausgewertet hat. Nun erhält ein Finanzminister laufend irgendwelche Analysen von Interessengruppen. Weshalb es auch nicht weiter verwunderlich ist, dass eine Bank, auch wenn es die landeseigene Bank ist, zu der Überzeugung kommt, dass eine Steuer auf ihre ureigensten Geschäfte diese Transaktionen schädigen würde. Überraschend ist eher, dass sich Schmid die Kritik der Landesbank an der Steuer ungefiltert zu eigen macht. In einem Brief an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) jedenfalls warnte Schmid vergangene Woche in sehr drastischer Weise vor den „Folgen der Einführung“ der Steuer in der Weise, wie sie jetzt geplant ist. Insbesondere der Interbankenhandel, also der Handel der Banken untereinander, werde empfindlich gestört, wenn die Banken die Transaktionen ab Januar 2014 besteuern müssen. Vor „massiven Engpässen“ für die öffentliche und private Wirtschaft schrieb Schmid sogar. Unternehmen würden keine ausreichenden Kredite mehr bekommen und wenn, dann nur zu hohen Kosten. Kein Wunder, dass Politiker der FDP Schmids Brief an Schäuble mit Häme beantworteten. Schließlich waren es die Liberalen, die sich vor Jahresfrist genau mit diesen Argumenten gegen die Einführung der Transaktionssteuer gewehrt hatten und dafür von der SPD heftig gescholten wurden. Dass jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, ausgerechnet ein SPD-Minister die alten FDP-Argumente aufgreift, erschien den Liberalen wie ein Geschenk.

Weniger lustig fand man Schmids Brief erwartungsgemäß im eigenen Haus. Zumal der Genosse aus dem Süden schon vor einigen Wochen als einer der Initiatoren der Kritik des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) an den Steuererhöhungsplänen seiner Partei galt.

Der Haushaltspolitiker der SPD im Bundestag, Carsten Schneider, jedenfalls beeilte sich, Schmids Kritik an den Plänen zur Einführung der Transaktionssteuer zu kontern. Die Pläne der EU-Kommission seien „gut“, sagte er. Sie könnten von der SPD nur unterstützt werden. Mehr noch: Wenn der Interbankenhandel, wie es Schmid anregte, von der Besteuerung ausgenommen würde, ginge ein „großer Teil der erwarteten Einnahmen verloren“, sagte Schneider. Man könnte die Steuer dann wohl ganz und gar begraben. Antje Sirleschtov

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