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Politik: Ohne Rückhalt

Wichtigster Koalitionspartner verlässt Boliviens Präsident

Von Bernd Radowitz,

Rio de Janeiro

Nach vier Wochen blutiger Proteste, die nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen über 70 Tote gefordert haben, stand Boliviens Präsident Gonzalo Sanchez de Lozada am Freitag offenbar vor dem Rücktritt. Zuvor hatte den 73-Jährigen auch noch der wichtigste Koalitionspartner im Kongress in La Paz verlassen. Manfred Reyes Villa, Parteiführer der konservativen Neuen Republikanische Kraft, sagte, der Präsident könne nicht weiter gegen den Strom schwimmen und auf noch mehr Tote warten.

Ohne Reyes Villas Partei wäre Sanchez de Lozada aber ohne eine arbeitsfähige Mehrheit im Parlament gewesen. Eine unmögliche Situation, denn die Mehrheit der Bevölkerung wusste der Präsident schon lange nicht mehr hinter sich. Zum Verhängnis wurden Sanchez de Lozada zuletzt seine Pläne, eine fünf Milliarden Dollar teure Erdgaspipeline nach Chile zu bauen, von wo aus der einzige nennenswerte Rohstoff des Andenlands in die USA und nach Mexiko exportiert werden sollte.

Der an US-Universitäten ausgebildete Mann hat dabei die Rechnung ohne die Indio-Bevölkerungsmehrheit gemacht. Wenig hilfreich war dabei auch, dass Sanchez de Lozada, durch seinen langen US-Aufenthalt geprägt, sich an das hauptsächlich Quetchua sprechende Volk in Fernsehansprachen immer wieder auf Spanisch gewandt hat. Der entscheidende Kardinal-Fehler war aber, eine Pipeline-Route durch Chile zu planen. Die meisten Bolivianer sind auf das Nachbarland nicht gut zu sprechen, das Bolivien im 19. Jahrhundert seinen einzigen Zugang zum Meer abnahm.

Bernd Radowitz[Rio de Janeiro]

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