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Politik: Ohrfeige aus Brüssel

Die EU-Außenminister können sich nicht auf den Beginn der Beitrittsgespräche mit Kroatien einigen

Keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung – zumindest im Brüsseler EU-Außenministerrat. Um das Startsignal für die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien zu geben, müssen Europas Außenminister nämlich einstimmig entscheiden. Von Einstimmigkeit konnte am Mittwoch aber nicht die Rede sein, als die Außenminister in Brüssel zusammenkamen.

Lediglich Österreich, Ungarn, Slowenien und die Slowakei sprachen sich dafür aus, wie ursprünglich geplant noch an diesem Donnerstag die Beitrittsverhandlungen mit der kroatischen Regierung aufzunehmen. Vor allem die Briten, die Niederländer, Dänen und Schweden waren aber strikt dagegen. Doch auch die Außenminister der übrigen EU-Staaten waren schließlich am Mittwoch der Meinung, dass die Regierung in Zagreb keineswegs so „uneingeschränkt“ mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammenarbeite, wie dies die EU schon im vergangenen Dezember als Voraussetzung für die Beitrittsgespräche gefordert hatte. Also verschoben die Außenminister den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit Zagreb. Ein neuer Termin für die Aufnahme der Gespräche wurde nicht genannt.

Angesichts dieses klaren Widerstands gegen einen Start der Verhandlungen mit Kroatien verzichtete der amtierende EU-Ratsvorsitzende, Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn, auf eine Abstimmung. Ohne einen einstimmigen Beschluss wird es aber vorläufig keine Beitrittsgespräche mit Kroatien geben.

Die spektakuläre Verschiebung der Verhandlungen, die in Kroatien als Ohrfeige empfunden wird, sei unvermeidlich gewesen, meinen Brüsseler Diplomaten. Es wäre doch ein falsches Signal für die gesamte Region, wenn die Verhandlungen ohne die Auslieferung des Ex-Generals und Kriegsverbrechers Ante Gotovina begonnen hätten, meinte der niederländische Außenminister Bernard Bot. Gotovina ist indes nicht der einzige Angeklagte, dessen Auslieferung das UN-Tribunal bislang vergeblich fordert. Nach Angaben einer Sprecherin von Chefanklägerin Carla Del Ponte entziehen sich noch 16 Angeklagte dem Zugriff des Tribunals – darunter der frühere Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic.

Es gibt auch Beobachter, die den Kurs der EU gegenüber Zagreb für überzogen halten: „Es kann doch nicht sein, dass die EU es der UN-Chefanklägerin Carla del Ponte überlässt, mit wem sie Beitrittsverhandlungen aufnimmt“, sagte der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des Europaparlaments, der deutsche Christdemokrat Elmar Brok, verärgert. „Die EU war bei anderen Beitrittskandidaten weit großzügiger.“

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