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Politik: Ole gnadenlos

Hamburgs CDU-Bürgermeister hat ein hartes Sparprogramm aufgelegt – und gerät damit selbst in den eigenen Reihen in die Kritik

Die Hamburger hatten es eilig. Gleich dreimal blitzte die Dithmarscher Polizei Dienstwagen des Senats, die Ende Mai auf dem Weg zur Klausur in Husum waren: Wissenschaftssenator Jörg Dräger, Senatskanzleichef Volkmar Schön und Regierungssprecher Christian Schnee wurden bei Heide vom Radar erfasst. Ein Wageninsasse erinnert sich, das Tempo habe „in etwa 130“ Stundenkilometer betragen. Erlaubt waren 80.

Auf politischem Terrain kam Hamburgs CDU-Senat in den ersten hundert Tagen nicht so schnell voran. Nach seinem Sensationssieg im Februar und einer interessanten Regierungsbildung mit vier parteilosen Senatoren schaltete Bürgermeister Ole von Beust zunächst einen Gang zurück. Jetzt aber nimmt er Fahrt auf – mit einem harten Sparprogramm. Ein Frauenhaus, Kinderkuren, Schwimmbäder und Schülerfahrgeld fallen weg, Teile des Verbraucherschutzes und Blindengeldes auch. Weiterbildungsträger verlieren 3,9 Millionen Euro; Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen laufen aus. Der Verein „Seniorenbildung“ muss Internetlehrgänge und Gedächtnistraining streichen. Eltern wundern sich, dass der Besuch einer Vorschule, bisher kostenfrei, jetzt zwischen 26 und 153 Euro pro Monat kosten wird. Jugend- und Bürgerhäuser, auch Bücherhallen stehen auf der Kippe. Volksabstimmungen, bald nur noch als Briefwahl erlaubt, sollen billiger und schwieriger werden.

„Gnadenlos“ wolle er sparen, lautet von Beusts Ansage: „Glauben Sie, dass es mir Spaß macht, den Menschen das Geld wegzunehmen? Wir wollen das alles nicht, aber wir müssen es tun – aus Verantwortung.“ Alternativen gebe es nicht. Das sehen selbst in seiner eigenen Partei nicht mehr alle so. Martin Willich, CDU-Veteran und Boss von Studio-Hamburg, rügte die Halbierung der Filmförderung als „verheerend“: Der CDU-Abgeordnete Bruno Claußen nannte den geplanten Eigenbeitrag von Polizisten und Feuerwehrleuten zur Heilfürsorge einen „Schlag ins Gesicht derer, die Tag und Nacht für die Sicherheit der Hamburger sorgen“.

Beusts Senat profitierte bislang von einer gnädigen Lokalpresse und der Erleichterung, dass Schill nichts mehr zu sagen hat. Die rote Laterne gehört nun Justizsenator Roger Kusch: Eine dominante Personalführung, despektierliche Äußerungen über die Staatsanwaltschaft, Filzvorwürfe und ein harter Sparkurs haben ihn politisch vereinsamen lassen. Auch Schul- und Sportsenatorin Alexandra Dinges-Dierig eckte an: Schulschließungen, größere Klassen, kürzere Schulzeit, neue Gebühren und ein Erlass, der Schulleitern öffentliche Äußerungen nur nach Erlaubnis eines Regierungssprechers zubilligt, riefen Widerspruch hervor.

Bundesweit fiel der Hamburger Senat zuletzt auf, als er im Bundesrat dem Alterseinkünftegesetz zustimmte und so die Konfrontationspolitik von Edmund Stoiber ins Leere laufen ließ. Einen heimischen Konflikt räumte der Bürgermeister ab, indem er den Kritikern des bisherigen Gutscheinsystems für Kitas Zugeständnisse machte. Für alle Kinder soll nun eine fünfstündige Betreuung garantiert werden. Und nach dem erfolgreichen Volksentscheid gegen den Verkauf der städtischen Krankenhäuser hat der Senat seine Entscheidung noch einmal auf Eis gelegt.

Das für den Senat wohl schönste Ereignis der vergangenen hundert Tage fand am Mittwoch auf der Senatstreppe statt: Dort erhielt von Beust von der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ und der „Wirtschaftswoche“ den Titel „Bürgermeister des Jahres“.

Günter Beling[Hamburg]

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