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Politik: Olympiasieger Blair

Von Markus Hesselmann

Im Kampf um die Olympischen Spiele 2012 gewann Tony Blair gegen seinen Lieblingsgegner Jacques Chirac und bleibt in diesem Jahr ungeschlagen. Zuvor war ihm mit New Labour in Großbritannien ein erneuter Wahlsieg gelungen, zu einer Zeit, als zum Beispiel seine politischen Epigonen in Deutschland abgewirtschaftet hatten. Und nach dem Scheitern der beiden Referenden für die EUVerfassung konnte der britische Premier als einziger europäischer Regierungschef punkten.

Der überraschende Sieg in Singapur bewies einmal mehr das strategische Geschick Blairs, der sich – ganz angelsächsischer Wahlkämpfer – ins Funktionärsgetümmel warf und half, die Stimmung kurz vor Schluss noch zu drehen. Der zum Pompösen neigende Chirac dagegen wurde in Singapur zur tragischen Figur. Auch er hatte sich auf den Weg nach Südostasien gemacht. Die Niederlage für den großen Favoriten Paris, der im ersten Bericht des Internationalen Olympischen Komitees noch klar geführt hatte, wird dadurch zur Niederlage Jacques Chiracs.

Blair und Chirac haben sich persönlich beim Internationalen Olympischen Komitee für ihre Hauptstädte eingesetzt und dabei einiges riskiert. Die IOC-Session von Singapur wurde zur ganz großen politischen Bühne. Das zeigt: Die Spiele sind wichtiger denn je. Selten war der Auftrieb der politischen und sportlichen Prominenz bei einer IOC-Session so groß wie jetzt in Singapur. Als sich Berlin für das Jahr 2000 beworben hatte und 1993 bei der Präsentation in Monte Carlo kläglich scheiterte, war der höchstrangige deutsche Vertreter der damalige Innen- und Sportminister Manfred Kanther.

Die Spiele haben sich die Prominenz verdient. Nach dem Rückzug von Juan Antonio Samaranch, der vom Friedensnobelpreis träumte, während das IOC zum Sinnbild für Korruption und Vetternwirtschaft wurde, steht es so viel besser um Olympia. Dazu passt, dass jetzt ausgerechnet die Engländer alle anderen Mitbewerber schlugen. Sie gehörten immer zu den größten Kritikern des IOC. Der Buchautor Andrew Jennings hat Samaranch jahrelang mit seinen Enthüllungen gegeißelt. Dass beim IOC trotz aller Anstrengungen und auch Erfolge des Samaranch-Nachfolgers Jacques Rogge noch längst nicht alles sauber läuft, bewies im vergangenen Jahr eine Dokumentation der BBC. Die Reporter des britischen Senders hatten aufgedeckt, dass IOC-Stimmen immer noch käuflich waren. In Singapur gab es jetzt sogar eine exklusive Sondervorführung des BBC-Materials für die IOC-Mitglieder, die sich bei dieser Session auch mit dem von den Engländern aufgedeckten Skandal auseinander setzen werden.

Singapur war der endgültige Abschied von der Ära Samaranch. Der greise Spanier hatte Madrid unterstützt, das im dritten Wahlgang ausschied. Jacques Rogge galt als Paris-Fan. Auch er setzte sich damit am Ende nicht durch. Dass die Delegierten gegen die Vorlieben ihres Chefs und ihres Ex-Chefs stimmten, ist ein Zeichen für demokratische Kultur, die über lange Jahre beim IOC vermisst worden war.

Für Deutschland ist das ein Ansporn, sich nicht von den Niederlagen Berlins und jetzt auch Leipzigs beirren zu lassen. Bei aller Freude über die Fußball-WM im nächsten Jahr: Die Olympischen Spiele mit ihrer bis in die Antike reichenden Tradition sind immer noch das absolute Ereignis des Sports. Sich um Olympia zu bewerben, erfordert aber die gemeinsame Anstrengung eines ganzen Landes. Leipzigs Kandidatur war trotz aller Sympathie für den Underdog und den Aufbruch im Osten ein Irrtum. Im 21. Jahrhundert bekommen wohl nur noch Metropolen und Hauptstädte die Chance, das gigantische Sportspektakel organisieren zu dürfen. In einer Liga mit London und Paris spielt in Deutschland nun einmal Berlin, auf das sich die Deutschen bei einer erneuten Kandidatur einigen sollten. Da jetzt eine europäische Stadt zum Zug kam, wird ein weiterer Anlauf erst wieder für das Jahr 2020 aussichtsreich sein. Zeit genug für Deutschland und für Berlin, an einer guten Bewerbung zu arbeiten.

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