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Politik: Online die Börse nach Hause holen

Für den amerikanischen Computerspezialisten Jay Dougherty öffnet das Internet die Tür zu einer ganz neuen Welt: der Aktienkauf per Maus-Klick."Vor einigen Jahren mußte ich noch meinen Broker anrufen, heute kann ich eigenständig Informationen einholen und Aktien ordern.

Für den amerikanischen Computerspezialisten Jay Dougherty öffnet das Internet die Tür zu einer ganz neuen Welt: der Aktienkauf per Maus-Klick."Vor einigen Jahren mußte ich noch meinen Broker anrufen, heute kann ich eigenständig Informationen einholen und Aktien ordern.Beim Online-Investment habe ich das Gefühl, selbst Kontrolle über meine Zukunft zu haben", sagt der 39jährige aus Washington.Die Geldanlage über das Internet ist in den USA eine Boom-Wirtschaft.Nur drei Jahre nach dem Start sind mittlerweile rund 100 Investment-Anbieter online aktiv.

Haben nach Branchenanalysen 1998 schon vier Millionen Amerikaner diese neue Möglichkeit genutzt, werden es im Jahre 2003 bereits 21 Millionen sein, so die Schätzung.Der Grund: Die Direktanlage über das Internet ist für den Investor bequem, schnell und vor allem billig.Ein wahrer Preiskrieg hat die Gebühren rasant purzeln lassen.Heute zahlt der Nutzer zum Beispiel für einen Aktienkauf oder -verkauf beim Online-Broker Charles Schwab im Schnitt nur noch 29 Dollar, 14,95 Dollar bei E*Trade und 9,95 Dollar bei Datek online.Das unterschiedliche Angebot an Informations- und Handelsmöglichkeiten erklärt die Preisunterschiede.Die Gebühren bei einem Broker-Haus traditioneller Herkunft liegen dagegen wesentlich höher.Schwab, der als einer der ersten der Wall Street-Firmen früh auf den Online-Zug aufsprang, berechnet beim herkömmlichen Geschäft am Schalter zum Beispiel für den Kauf von 1000 Aktien des Computerriesen IBM rund 300 Dollar.

Der Online-Preisvorteil wirkt auf Amerikaner wie ein Magnet.Jeder kann bei einer Broker-Firma wie Waterhouse Securities, die auch über das Internet zu erreichen ist, ein Depot eröffnen.Mit einem Paßwort kann sich der Anleger in das Firmenangebot einwählen, bekommt auf die Sekunde genaue Aktienpreise oder Analysen geliefert und kann bei einer abgeschlossenen Order oder ausgeführten Option innerhalb von drei Tagen den angefallenen Betrag per Scheck oder auch per Kreditkarte bezahlen.Oder er bekommt die Summe auf seinem Broker-Konto gutgeschrieben.Das Ganze wird abgewickelt, ohne daß der Anleger auch nur einmal mit einem Börsenhändler sprechen muß - auch wenn das Geschäft letztlich immer noch von diesem vorgenommen wird.

Die noch junge Online-Industrie beginnt schon jetzt, das alte Verständnis des Investierens nachhaltig zu verändern.48 Prozent aller Online-Anleger hätten ihre Verbindung zu Brokern mit vollem Service eingeschränkt, heißt in einer kürzlich veröffentlichten Studie der Forschungsgruppe NFO Worldwide Inc."Auch wenn ein Teil des Wachstums im Online-Handel auf gänzlich neue Angebote zurückzuführen ist, geht doch ein großer Teil auf Kosten der traditionellen Firmen", sagt Lee Smith von NFO Worldwide."Mehr Brokerhäuser als bisher werden gezwungen sein, Online-Investment als festen Bestandteil in ihre Geschäftsstrategie zu integrieren."

Der sekundenschnelle Zugriff auf Informationen - und damit auch schnellere Entscheidungen - haben auch Auswirkungen auf den Aktienhandel insgesamt.Viele "Heim-Anleger" sind zu sogenannten "Tages-Investoren" geworden, die beharrlich die Entwicklung bestimmter Aktien oder Fonds verfolgen und auf eine schnelle Mark aus sind."Jeder kann rasch herausfinden, ob sich bei seiner Aktie etwas tut und kann, wenn der Markt sich bewegt, entsprechend kurzfristig handeln", sagt Rebecca Patton, Vize-Chefin von E*Trade.

Das Investieren online ist aber nicht ohne Gefahren."Das Problem im Internet ist, daß sich jemand online einklinken kann und mit irreführenden oder falschen Informationen Zugang zu Millionen von Menschen hat", sagt James Stack, Herausgeber des Info-Blatts "InvesTech".Die Börsenaufsichtsbehörde SEC (Securities Exchange Commission) hat vor kurzem ein Online "Beschwerde-Brett" eingerichtet, auf dem in drei Tagen 75 Anzeigen eingingen.Die SEC hat auch ihre Online-Aufsicht verstärkt, indem speziell ausgebildete Juristen das Netz auf verdächtige Tätigkeit durchkämmen.

"Wir haben neue Instrumente, um mit diesem Phänomen fertig zu werden", sagt John Stark von der SEC."Es sind dieselben Betrugsmethoden wie früher.Es gibt dafür jetzt nur ein neues Medium." Gegen einige Firmen, die im Internet betrügerische Angebote machten, hat die Aufsichtsbehörde schon Anklage erhoben.So zum Beispiel gegen die Octagon Technology Group aus Chicago, die "risiko-freie" Investitionen in Lateinamerika angepriesen hatte, ohne über entsprechende Papiere tatsächlich zu verfügen.Für viele Investoren wie David Lethe aus Plano gilt deshalb die Grundregel: "Wenn man nicht selbst genaueste Forschungen anstellt, dann lädt man die Betrüger zu sich nach Hause ein."

ANKE WIELAND

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