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Online-Durchsuchung: Staatstrojaner vor Gericht

Sind Online-Razzien verfassungswidrig? Ja - meinen die Kläger, die durch das NRW-Verfassungsschutzgesetz das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung angetastet sehen. Die Entscheidung aus Karlsruhe könnte zum Grundsatz für Schäubles Pläne zum Bundestrojaner werden.

Die umstrittene Fahndungsmethode der Online-Durchsuchung privater Computer im Kampf gegen den Terrorismus steht vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auf dem Prüfstand. Nordrhein-Westfalen erlaubt als erstes Bundesland in Deutschland die Überwachung privater Rechner. Das seit 30. Dezember 2006 geltende Verfassungsschutzgesetz von NRW ermöglicht ausdrücklich einen "heimlichen Zugriff auf informationstechnische Systeme". Dagegen haben drei Anwälte, darunter der ehemalige Innenminister Gerhardt Baum (FDP), sowie ein Mitglied der Linkspartei und eine Journalistin Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie sehen durch das NRW-Gesetz das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung angetastet. Die Karlsruher Richter müssen nun beurteilen, unter welchen Voraussetzungen Online-Durchsuchungen von Staatswegen erlaubt werden können.

NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) verteidigte die umstrittene Online-Regelung seines Bundeslandes. Im Inforadio sagte Wolf, mit dem Gesetz seien die Belange sowohl der Freiheit als auch der Sicherheit gewahrt worden. Der Verfassungsschutz dürfe gegenüber terroristischen Bedrohungen "nicht blind" sein und müsse auch die Möglichkeit haben, Gewalttätern über das Internet auf die Spur zu kommen.

Gleiche Methoden wie das BKA

Bei der Online-Durchsuchung nach NRW-Recht ist der Verfassungsschutz in erster Linie an der Kommunikation via Internet-Telefonie, per E-Mail sowie an Inhalten interessiert, die aus dem Internet heruntergeladen wurden, erklärte der Chef des NRW-Verfassungsschutzes Hartwig Möller gegenüber der "taz". Er räumte aber ein, dass das Gesetz klarer hätte formuliert werden können. Denn der "Zugriff auf Informationstechnische Systeme" klärt nicht eindeutig, ob auf die gesamte Festplatte zugegriffen werden darf.

Bei der praktischen Durchführung greift das Land NRW auf die Möglichkeiten zurück, die zurzeit heftig debattiert werden. "Wir benutzen die gleichen Methoden, die auch das Bundeskriminalamt diskutiert", gab Möller an. Bei der Durchführung einer Online-Durchsuchung schleusen die Fahnder heimlich ein Programm in den Computer des Verdächtigen ein, beispielsweise als Anhang einer E-Mail oder durch eine Lücke im Sicherheitssystem des Rechners. Denkbar ist auch, eine Art Computerwanze zu installieren, wofür aber ein Ermittler in die Wohnung einbrechen müsste. Solche Programme können heimlich den Inhalt der Festplatte kopieren und Internetverkehr und Tastatureingaben mitlesen.

Der NRW-Verfassungschutz führt die Online-Razzia nicht selber durch, sondern wird von anderen Sicherheitsbehörden dabei unterstützt – genauere Angaben wollte Möller allerdings nicht machen.

Auch in NRW kein Richterbeschluss erforderlich

Überwacht werden laut Möller nur Personen, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Verdacht vorliegen. Bestimmt wird dies durch das G-10-Gesetz, welches die Bedingungen für Telefonkontrollen festlegt. Ein Richterbeschluss zur Durchführung der Online-Durchsuchung ist nach dem NRW-Gesetz nicht erforderlich, eine G-10-Kommission des Landtags, bestehend aus vier von den Fraktionen des Landtags benannten Personen prüfen die Zulässigkeit der Maßnahme im Vorfeld, erklärte Möller. Computer bei Verdacht einfach zu beschlagnahmen, statt sie heimlich auszuspähen, wies Möller mit dem Argument zurück, nicht die Polizei zu sein. Aufgabe des Verfassungsschutzes sei die Beobachtung von möglichen terroristischen Vereinigungen, für die Strafverfolgung ist die Polizei zuständig, so Karl Peter Brendel, Staatssekretär von NRW-Innenminister Wolf gegenüber "Süddeutsche.de".

Mit dem neuen Verfassungsschutzgesetz hat das Land NRW noch keine Fahndungserfolge hinsichtlich terroristischer Bedrohungen erzielt. Der NRW-Verfassungsschutz musste von seiner Möglichkeit auf informationstechnische Systeme zugreifen, "noch keinen Gebrauch" machen, erklärte Karl Peter Brendel.

Grundsatzentscheidung aus Karlsruhe

Die Pläne von Bundesinnenminister Schäuble, mit Hilfe eines Bundestrojaners ohne Richterbeschluss heimlich die gesamte Festplatte privater Computer von der Polizei durchsuchen zu lassen, hält der Leiter des NRW-Verfassungsschutzes Möller für überflüssig. Er ist der Meinung, dass es völlig ausreicht, wenn der Verfassungsschutz Verdächtige beobachtet und erst im Ernstfall die Polizei einschaltet.

Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht die Klage abschmettert – mit einer Entscheidung wird im Januar 2008 gerechnet – heißt das nicht automatisch grünes Licht für Schäubles Pläne. Es ist damit zu rechnen, dass Online-Razzien an hohe rechtsstaatliche Hürden gebunden werden und nicht jeder automatisch mit einer Durchsuchung seines Computers rechnen muss. Die Entscheidung in Karlsruhe wird mit Spannung erwartet, da es um die grundsätzliche Klärung der Frage geht, ob Online-Durchsuchungen verfassungsgemäß sind.

Irja Most

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