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Handbuch Deutschland, vorgestellt von Integrationsministerin Aydan Özoguz (5.v.l) Birgit Klesper, (3.v.l.) von der Deutschen Telekom und Konstantina Vassiliou-Enz (5.v.r.), Geschäftsführerin des Vereins "Neue deutsche Medienmacher" mit dem Team von handbookgermany.de

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Online-Portal für Einwanderer und Flüchtlinge: Alles über Deutschland - per Video

Informationsangebote für Flüchtlinge gibt es viele. Aber oft gehen sie am Bedarf vorbei, fanden migrantische Journalisten. Dem wollen sie abhelfen.

In Deutschland heimisch werden – das soll jetzt richtig leicht gehen: Seit Mittwoch gibt es dafür „handbookgermany.de“, einen neuen Online-Knotenpunkt, der Geflüchteten und Neuzuwanderern helfen soll, sich zurechtzufinden, nicht nur bei der ersten Orientierung, sondern auf Dauer, mindestens für die ersten Jahre.

Den Freunden vertrauen viele mehr als Behörden

Dabei will das Online-Handbuch für neue Deutsche keinen weiteren Informationskanal aufmachen. Davon sind in den letzten Jahren schon viele und gute entstanden. Die Köpfe hinter dem Projekt sind die „Neuen deutschen Medienmacher“ (NdM), eine Vereinigung von Journalisten mit und ohne Migrationshintergrund. Auch weil sie selbst Muttersprachler sind, stellten sie fest, dass viele Informationen nicht an die kommen, die sie brauchen.

Sie fanden auch heraus, sagt NdM-Geschäftsführerin Konstantina Vassiliou-Enz, warum das so ist: Viele Geflüchtete kommen aus Ländern, in denen offiziellen Informationen nicht getraut werden kann und nicht getraut wird – weshalb sie sich lieber per Chat und auf Facebook bei Bekannten, Verwandten und Freunden informieren, denen sie glauben. Falschmeldungen eingeschlossen. Viele Angebote scheiterten auch technisch: Sie arbeiteten mit Datenmengen, die am Laptop funktionieren, aber nicht auf Mobilgeräten. Und ein Problem scheint auch die Sprache zu sein: Etliche Neueinwanderer und Geflüchtete beklagten sich etwa über Stummel-Arabisch oder Dialekt in den muttersprachlichen Angeboten.

Bald auch lokale Angebote

Die Macher von „handbookgermany.de“ wollen es besser machen: Die kleine Redaktion, darunter auch Menschen, die selbst Fluchterfahrung haben, spricht und schreibt neben Englisch und dem afghanischen Dhari auch Hocharabisch, ihr E-Handbuch funktioniert am besten auf Smartphones und es bemüht sich um Vertrauen: „Bei uns kommen nur Leute aus den Communities vor, keine Sozialarbeiter und keine Politiker“, sagt Vassiliou-Enz. So erklärt der junge Mumar am Beispiel der Berliner BVG, wie der öffentliche Nahverkehr funktioniert, unterm Button Familienzusammenführung berichtet Familienvater Waseem, wie er es geschafft hat, seine Familie nachzuholen. Und die WDR-Journalistin Marwa Eldessouky verrät auf arabisch und deutsch, was es jeweils kostet, in Deutschland bei Rot die Straße zu überqueren, am Steuer zu telefonieren oder Kippen und Kaugummis auf dem Asphalt zu entsorgen. Verlinkt wird aber durchaus sehr oft auf offizielle Portale und auf solche, die die Redaktion geprüft und für ebenso glaubwürdig wie nützlich befunden hat. In diesem Jahr noch sollen viele lokale Angebot vernetzt werden, weil die nächste Ärztin oder die neue Wohnung eben nur vor Ort gefunden werden können.

80 Prozent der Geflüchteten haben Smartphones

Videos allerdings sollen die Hauptform des Portals werden, da sie, sagt Vassiliou-Enz, "online viel besser funktionieren als geschriebene Texte“. Die Inhalte will handbookgermany.de über die Social-Media-Gruppen der Flüchtlinge selbst verbreiten. Da gibt es viele, etwa 250 000 Flüchtlinge sind in Gruppen aktiv. 82 Prozent beziehen mehreren Studien zufolge ihre Informationen aus dem Netz, 80 Prozent haben demnach Smartphones.

Unterstützt wird das Projekt von der Deutschen Telekom, deren frühes Angebot vom Spätsommer 2015 „refugees.telekom.de“ jetzt zum Handbook migriert, vom Softwareanbieter Adobe und von der Migrationsbeauftragten der Bundesregierung Aydan Özoguz.

Kopfschmerzen in Ägypten

Das aktuell einzige Video auf deutsch dürfte auch für Alteingesessene interessante Einblicke in den Prozess der Migration geben: Darin erklären Basma und Mohamed, ein ägyptisches Ehepaar, was es mit der deutschen Sonntags- und der Nachtruhe zwischen abends zehn und morgens sechs auf sich hat und was unter "Zimmerlautstärke" zu verstehen ist. Basmas Ohren, so erklärt sie, sind nach acht Jahren Deutschland inzwischen komplett deutsch: "Wenn wir in Ägypten in Urlaub sind, bekommen wir richtig Kopfschmerzen - man glaubt das nicht."

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